Höher, weiter schneller: Sebastian Zeller soll Luxemburgs Sportler noch besser machen

Höher, weiter schneller: Sebastian Zeller soll Luxemburgs Sportler noch besser machen

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Dr. Sebastian Zeller ist der erste High Performance Manager des Nationalen Olympischen Komitees. Die Frage, was ein High Performance Manager eigentlich macht, hat Zeller mehrmals zu hören bekommen. Er soll dazu beitragen, die luxemburgischen Sportler auf ein noch höheres Niveau zu bekommen.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Chris Schleimer

Wenn in der Wirtschaft von „Performance Management“ die Rede ist, dann geht es einzig und allein darum, die Leistung von Unternehmen und deren Mitarbeitern zu steigern. Im Sport ist das eigentlich nicht viel anders. Sebastian Zeller, Jahrgang 1985, ist der erste High Performance Manager des Luxemburger Olympischen Komitees (COSL) und sein Job ist es, die luxemburgischen Sportler noch besser zu machen. Ganz so simpel, wie sie klingt, ist die Aufgabe des gebürtig aus Brühl stammenden Sportwissenschaftlers dann doch nicht.

Was schon allein daran liegt, dass Zeller der erste High Performance Manager des COSL ist. „Ich kann den Posten jetzt mit Leben füllen und die Ausrichtung mit meinem Know-how ein wenig mitbestimmen“, erklärt der neue COSL-Mitarbeiter, der nun seit dem 1. Januar im Amt ist. Und wie der Name des Postens es bereits verrät, beschäftigt sich der High Performance Manager nicht mit dem Breitensport. „Es geht um den Hochleistungsbereich und die Olympiaförderung. Hier schauen wir gemeinsam mit anderen Institutionen ganz individuell, wie wir jeden einzelnen Athleten besser machen können.“

Zeller betreut selbst allerdings keine luxemburgischen Sportler. Seine Arbeit besteht darin, den Sportler und dessen Trainer mit seinem Wissen zu unterstützen. „Es geht nicht darum, sie zu belehren. Sie machen ja bereits eine gute Arbeit, ansonsten wären sie nicht auf dem Niveau. Viele Trainer haben aber nicht unbedingt die Zeit, sich über sämtliche Fortschritte in den Sportwissenschaften auf dem Laufenden zu halten. Hier möchten wir ihnen unser Fachwissen zur Verfügung stellen.“

Abkürzungen lernen

Ohnehin sei eine objektive Betrachtung eines Außenstehenden nie verkehrt. Aus dem Grund hat sich Zeller vor seinem Amtsantritt auch nicht zu intensiv mit dem Luxemburger Sport auseinandergesetzt. Er hat sich zwar die Organisation des Luxemburger Sports angeschaut, genau wie die Sporthistorie, doch ansonsten ging er recht unvoreingenommen an seine neue Aufgabe heran. „Ich habe es auf mich zukommen lassen, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass es von Vorteil ist, frisch an eine Sache heranzugehen und eigene Erfahrungen zu machen.“ Dabei musste Zeller auch viel Neues lernen, wie die einzelnen Sportinstitutionen wie das LIHPS, die Lunex und so weiter. „Ich habe schon viele Abkürzungen gelernt, aber es gibt viel mehr Institutionen in Luxemburg, die sich mit Sport beschäftigen, als man vielleicht annehmen mag.“

Seinen Arbeitsalltag in der „Maison des sports“ in Strassen bezeichnet Zeller als recht vielfältig, wenngleich er momentan viel Zeit in seinem Büro vor dem Computer verbringt. „Es ist viel konzeptionelle Arbeit“, sagt der High Performance Manager. Er wird sich allerdings auch die nötige Zeit nehmen, um vor Ort zu sein und Trainingseinheiten zu beobachten. Kürzlich war Zeller noch in Bordeaux, bei Julien Henx. Der Schwimmer ist ein Kandidat für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. „Ich habe mit seinem Trainer geredet und wir haben einige Maßnahmen besprochen im Hinblick auf die Qualifikation für Tokio.“ Zeller war auch in Sarajevo beim European Youth Olympic Festival (EYOF). „Es geht auch darum, Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln. Und Potenziale zu finden, wie wir bei den nächsten EYOF vielleicht noch besser abschneiden.“

Großes Fachwissen

Im COSL unterstützt Zeller vor allem Heinz Thews, den langjährigen Technischen Direktor des COSL. Thews war lange Jahre der „Alleinunterhalter“, wenn es um die sportliche Förderung der Athleten ging. „Mit Sebastian haben wir die Möglichkeit, auch mal parallel auf verschiedenen Feldern zu arbeiten. Die Arbeit wird zwar nicht weniger, doch sie wird qualitativ besser“, so Thews.

Der Technische Direktor beschreibt seinen neuen Mitarbeiter als sehr offen und kommunikativ und schätzt sein großes Fachwissen. „Vor allem ist er auf dem neuesten Stand, was Trainingswissenschaften angeht. In den Besprechungen, in denen er bislang dabei war, hat er sich auch schnell mit eingebracht und interessante Fragen aufgeworfen.“

Thews will seinem neuen Mitarbeiter allerdings noch die nötige Zeit geben, um sich richtig einzuarbeiten. Jetzt müsse er mal die luxemburgische Sportwelt im Detail kennenlernen. Dass Zellers Spezialgebiet die Ausdauersportarten sind, ist kein Zufall. „Man muss sich nur die Sportarten anschauen, in denen wir über die letzten Jahre Erfolge feiern konnten und in welchen wir für die Zukunft gute Aussichten haben. Da denke ich an den ‹Evergreen› Radsport, aber auch an die Leichtathletik oder den Triathlon.“ Ausdauer wird ohnehin in allen Sportarten benötigt. „Und an sich ist es im Handball das Gleiche wie im Laufen. Nur die Anforderungsprofile sind verschieden und somit auch die Ausrichtung des spezifischen Trainings“, ergänzt Zeller.

Thews, der nach den Olympischen Spielen 2020 in Rente gehen wird, betont, dass der High Performance Manager keine Lauerstellung auf den Posten des „directeur technique national“ sei. „Zum einen kommen als DTN noch viele andere Aufgaben auf einen zu, ob organisatorischer oder politischer Natur, und ich weiß nicht, ob Sebastian das überhaupt will. Zum anderen sind wir ja gerade eben dabei, die Strukturen zu verändern und uns breiter aufzustellen. Dazu zählt auch der Posten des High Performance Managers.“ Die Arbeit soll in Zukunft auf mehrere Schultern verteilt werden, um effizienter arbeiten zu können.

Bevor er beim COSL anheuerte, war er rund zehn Jahre an der Deutschen Sporthochschule in Köln, wo er Trainingswissenschaften und Leistungsphysiologie studierte und 2017 promovierte. Seinen Doktortitel trägt er aber im Alltag nicht gerne in den Vordergrund. „Manchmal wird man durch so einen Doktortitel im Alltag schon etwas bevorteilt. Das stört mich, da es eigentlich nicht sein dürfte. Deshalb verzichte ich im Alltag gerne auf den Titel.“

Zurück zum Leistungssport

Nach seiner Promotion wurde ihm relativ schnell klar, dass er im Leben noch einmal etwas anderes machen wollte als eine rein wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. Dann wurde diese Stelle beim COSL an ihn herangetragen. Das Vorstellungsgespräch ist ihm immer noch sehr positiv in Erinnerung: „Ich habe sofort ein gewisses Vertrauen verspürt.“

Die Arbeit im Leistungssport war initial auch der Grund, wieso Zeller Sport studiert hat. „Jetzt schließt sich der Kreis sozusagen.“ Zellers Spezialgebiet ist der Ausdauersport. Seine eigene sportliche Karriere begann mit Schwimmen im Alter von fünf Jahren. Mit zwölf hatte er genug vom Schwimmen und versuchte sich im Handball und Judo. Später fand er zur Leichtathletik. Durch Jan Ullrich und Lance Armstrong kam er zum Radsport. „Die Namen sind heute zwar in Verruf geraten, aber das waren halt die  dominierenden Radsportler meiner Generation.“ Als er bereits Student an der Sporthochschule war, begann Zeller mit dem Triathlon. „Ich hatte ja bereits alle drei Sportarten ausprobiert und musste nur noch eins und eins und eins zusammenfügen.“

An Talent mangelte es ihm nicht. Sein Weg führte ihn bis in die erste Triathlon-Bundesliga. Zeller stand kurz vor einer eigenen Karriere als Profisportler. 2011 hat er beim Challenge Roth seinen ersten und einzigen Triathlon über die Langdistanz absolviert, in ganz beachtlichen 8:41 Stunden. „Vor allem hatte ich keine spezifische Vorbereitung auf die Langdistanz, da ich in dem Jahr in der Bundesliga über die Sprintdistanz antrat.“

Keine eigene Profi-Karriere

Anschließend wurde er von mehreren Leuten gefragt, ob er keine professionelle Karriere als Triathlet anstrebe. „Ich habe es mir selbst vielleicht nicht zugetraut, außerdem wollte ich meine wissenschaftliche Karriere, die ich eingeschlagen hatte, nicht aufgeben.“ Er habe auf die sichere Karte gesetzt. „Aus heutiger Sicht war es sicherlich nicht verkehrt.“ Rückblickend meint Zeller, dass er ohnehin nicht hätte davon leben können. In Deutschland gibt es im Langdistanz-Triathlon keine Verbandsstruktur und so hätte Zeller alles über Privatsponsoren abwickeln müssen. Was in Köln durch die große Präsenz des 1. FC Köln nicht einfach erscheint.

Mit der Profi-Karriere hat es nicht geklappt, mit dem Triathlon konnte Zeller trotzdem Geld verdienen. Gemeinsam mit einem guten Freund hat Zeller vor acht Jahren eine Firma gegründet. ProAthletes bietet Triathleten Trainingsberatung und -betreuung an. „Wir haben damals selbst Triathlon gemacht und wie das so ist, wenn man im Verein Training hält, wird man schon mal nach Ratschlägen gefragt. Das waren zu Beginn ganz kleine Sachen, etwa wie man sich die Schuhe am besten bindet beim Triathlon. Und wenn das klappt, dann fragen die Leute schnell nach einem kompletten Trainingsplan.“

Auf einmal hat Zeller Trainingspläne für ein paar Triathleten geschrieben. Da andere Leute damit ihr Geld verdienen, haben Zeller und sein Kumpel nicht eingesehen, wieso sie die gleiche Arbeit umsonst machen sollen.

Seine Nebentätigkeit wird Zeller auch als High Performance Manager weiterführen, wobei er betont, dass er selbstverständlich keine Athleten aus dem COSL-Kader in seiner Firma betreuen wird. „Ohnehin muss ich erst einmal sehen, wie viel Zeit mir mit dem neuen Job noch bleibt. Man muss ja auch noch Zeit für andere Dinge im Leben haben.“

„Es gibt immer Luft nach oben“

Nach rund anderthalb Monaten als High Performance Manager des COSL ist Dr. Sebastian Zeller dabei, den luxemburgischen Sport und seine Hochleistungssportler kennenzulernen. Doch auch wenn er noch in der Einarbeitungsphase ist und dabei ist, festzustellen, wo die Potenziale liegen, so hat der Sportwissenschaftler bereits ein paar allgemeine Ansatzpunkte ausgemacht. Denn Luft nach oben gebe es im Sport immer.

Einfache Dinge richtig machen

„Das wird von der breiten Öffentlichkeit oft nicht vermutet, aber im Leistungssport geht es am Ende immer wieder darum, die einfachen Dinge richtig zu machen. Gut zu trainieren, gut zu essen, gut zu schlafen. Alles, was darüber hinausgeht, bringt ein paar Prozent an Leistungssteigerung, es sind aber nicht die Dinge, die den Sportler tagtäglich beschäftigen. Das muss man den Sportlern immer mal wieder erklären. Es sind nämlich auch diese einfachen Dinge, auf die sich international erfolgreiche Athleten primär konzentrieren. Wenn sie die richtig machen, können sie mit Experten aus verschiedenen Bereichen noch versuchen, die paar zusätzlichen Prozent zu finden.“

Die Baustellen

„Im Leistungssport verwendet man eigentlich immer die gleiche Vorgehensweise: Was muss man können? Wie kann ich das, was ich brauche, diagnostizieren, also eine Leistungsdiagnostik aufstellen? Wie kann ich das dann trainieren? Das Ganze ist sehr wissenschaftlich. Man hat immer eine Intervention, dann eine Diagnostik, wieder eine Intervention und wieder eine Diagnostik. Dann muss man sich natürlich kritisch überprüfen: Hat sich das, was man verbessern wollte, zum Beispiel ein bestimmter Ausdauer- oder Kraftparameter, verbessert? Wenn ja, kann man so weiterarbeiten, wenn nicht, muss man wieder eine gezielte Änderung vornehmen. Das ist also ein sehr individueller Ansatz. Allerdings gewinnt man keine Weltmeisterschaft in der Leistungsdiagnostik, sondern man muss das Ganze abbilden, wie es mit den Wettkampfergebnissen übereinstimmt. In diesem Prozess haben wir noch einige Baustellen. Wir haben zum Beispiel noch keine Anforderungsprofile für die verschiedenen Sportarten und keine zielgerichtete, sportartenspezifische Leistungsdiagnostik. Diese beiden Dinge versuchen wir gerade in den verschiedenen Sportarten aufzubauen. Zuerst in den ausdauerdominierten Sportarten. Das ist ein langwieriger Prozess und ich will keine falschen Hoffnungen verbreiten, aber ich wäre sehr froh, wenn wir vielleicht schon das eine oder andere im Hinblick auf Tokio verbessern könnten.“

Sportwissenschaften in Luxemburg

„Wirklich einschätzen kann ich das momentan noch nicht. Es gibt einige gute Maßnahmen, zum Beispiel die Sporthochschule Lunex in Differdingen oder das Sportlabor am LIH (Luxembourg Institute of Health, d.Red.), die richtig gute Arbeit leisten. Am Ende muss man das Ganze aber immer auch in den internationalen Kontext setzen. Wenn man nach Deutschland schaut, da gibt es auch nur eine Sporthochschule, und die ist in Köln. Man kann zwar auch in Bochum, München oder Hamburg Sport studieren, allerdings sind das nur Institute oder Fakultäten. In dem Sinne gibt es schon einige gute Maßnahmen in Luxemburg und die Zeit wird zeigen, wie man in diesem Feld weiterkommt.“

Trends der Trainingswissenschaft

„Es ist wichtig, dass man immer auf dem neuesten Stand ist. Die Trainingswissenschaft entwickelt sich ständig weiter. Ich denke, dass eine sehr solide Grundausbildung wichtig ist, um neue Trends zu erkennen und einschätzen zu können. Man muss ja nicht unbedingt auf jeden Zug aufspringen. Nehmen wir nur mal das ‹High Intensity Training›, was momentan überall angeboten wird. Im Endeffekt ist es nichts anderes als Intervalltraining, das bereits in den 50er-Jahren praktiziert wurde. Man könnte auch sagen, es ist alter Wein in neuen Schläuchen. Man darf sich also nicht beirren lassen, sondern muss analysieren, was es bewirkt, wie man es einsetzen kann und wie man es den Trainern zu Verfügung stellt. Diese müssen sich zwar auch immer wieder fortbilden, allerdings eher fachspezifisch.“