Heiter bis leicht bewölkt: So steht es um die russisch-luxemburgischen Beziehungen vor Medwedews Besuch

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Fast zwölf Jahre nach der Staatsvisite von Präsident Wladimir Putin besucht Russlands Premierminister Dmitri Medwedew Luxemburg. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben die 2014 verhängten Sanktionen kaum beeinträchtigt.

Von Lucien Montebrusco

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Russlands Premierminister Dmitri Anatoljewitsch Medwedew trifft am Dienstag zu einem offiziellen Besuch in Luxemburg ein. Dies ist sein erster Abstecher in das Großherzogtum, das er bereits am Mittwochnachmittag wieder verlassen wird.

Offiziell geht es bei den Gesprächen mit Premierminister Xavier Bettel vor allem um wirtschafts- und finanzpolitische Fragen. Auch aktuelle internationale Themen wie die Beziehungen zwischen der EU und Russland stehen an. Unterschrieben werden mehrere bilaterale Abkommen, heißt es beim Pressedienst der russischen Regierung.

Wirtschaftspolitisch klappt es zwischen Russland und Luxemburg eigentlich ganz gut. Das Großherzogtum bleibt einer der größten Investoren in Russland, wobei die Rede von Vermögenswerten aus Russland sein müsste, die über Luxemburg zurück in die Föderation fließen.

Die luxemburgischen Direktinvestitionen beliefen sich 2017 auf über 12 Milliarden Dollar, verkündete Vizepremierminister Dmitri Rogosin im Februar 2018 in Moskau. Rogosin ist gemeinsam mit Luxemburgs Wirtschaftsminister Etienne Schneider Co-Vorsitzender der alle zwei Jahre tagenden gemischten Kommission für wirtschaftliche Entwicklung zwischen der UEBL („Union économique belgo-luxembourgeoise“) und Russland. Zum Vergleich: Das kumulierte Investitionsvolumen Belgiens in der russischen Wirtschaft betrug im gleichen Zeitraum 1,2 Milliarden Dollar.

Direktinvestitionen und Realwirtschaft

Die Handelskammer spricht bei diesen Angaben über die Direktinvestitionen von „tückischen“ Berechnungen. Luxemburgs Finanzplatz sei zwar in Europa führend und die Nummer zwei weltweit, doch das Großherzogtum sei nicht unbedingt die Herkunft der Mittel der hierzulande verwalteten und angesiedelten Fonds. Die Vermögensverwalter befänden sich oftmals im Ausland und wählten Luxemburg ausschließlich wegen seiner international unübertroffenen Expertise als Plattform. Wer sich hinter diesen Investitionen verbirgt und woher sie stammen, wisse man nicht, so die Handelskammer auf Nachfrage.

Große Industrieunternehmen wie Paul Wurth, ArcelorMittal, der Hersteller von Akkumulator-Behältern Accumalux, der Hallenbauer Astron und der Glashersteller Guardian Glass sind seit Jahren in Russland aktiv, wobei die Beziehungen der Stahlindustrie zum östlichen Großnachbarn bis in Sowjetzeiten zurückreichen. Auf dem russischen Markt aktiv ist ebenfalls die im Seebaggergeschäft erfolgreiche Jan De Nul Group. Cargolux fliegt den internationalen Flughafen von Nowosibirsk an. Seit 2012 betreibt die Anwaltskanzlei Arendt&Medernach eine Zweigstelle in Moskaus Businesszentrum an der Moskwa.

Zwei russische Banken operieren hierzulande: zum einen die East-West United Bank, die sich seit Mitte der 1970er Jahre in Luxemburg befindet und 2007 von Wladimir Jewtuschenkow, Chef des Mischkonzerns Sistema und Luxemburger Ehrenkonsul in Swerdlowsk, übernommen wurde. Zum anderen hat seit 2013 GPB International (Gazprombank) eine Niederlassung im Großherzogtum. Welche anderen luxemburgischen Unternehmen ohne örtliche Filiale mit Russland im Geschäft sind, lasse sich nur schwer sagen, so die Handelskammer.

Spricht man bei den Direktinvestitionen von Milliarden Euro, hören sich die Beträge für die Realwirtschaft etwas bescheidener an. In puncto Luxemburger Warenexport platzierte sich Russland 2018 laut Statec an 16. Stelle, weit hinter den EU-Ländern und China. Während Luxemburg 2018 für 128,9 Millionen Euro in die Russische Föderation exportierte – rund 24 Millionen weniger als im Vorjahr –, importierte es für lediglich 15,6 Millionen Euro.

Finanzen und Dienstleistungen

Trotz Sanktionen sei der Handelsumsatz zwischen Russland und Luxemburg im Jahr 2017 um 16,9 Prozent gestiegen, freute sich Rogosin dennoch im Februar 2018. Die Handelskammer spricht von einer Versechsfachung der luxemburgischen Exporte nach Russland in den letzten zwei Jahrzehnten. Bestimmte die Schwerindustrie lange Zeit die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern, sind es heute Finanzen und Dienstleistungen. Statec schätzt das Volumen des Dienstleistungsexports nach Russland für 2018 auf 237 Millionen Euro. 2002 waren es 36 Millionen.

Potenzial sei noch vorhanden, heißt es bei der Handelskammer, auch wenn in Sachen Handelsbeziehungen das Niveau von vor der Krise im Jahr 2008 wieder erreicht wurde. Eine Direktverbindung zwischen Findel und Moskau könnte tatsächlich zu einem Wachstumsmotor für Handel und Tourismus werden.

Ähnliches gelte für die Standardisierung der europäischen und russischen Normen bei den Verwaltungsprozeduren, in der Industrie und im Transport. Verbesserungswürdig wären auch die Zollprozeduren. Sanktionen würden die Geschäftsmöglichkeiten nicht schmälern, nur müsste sich jedes Unternehmen an die geltenden Regeln halten.

Bauern von Sanktionen betroffen

Längst diversifizieren sich die russisch-luxemburgischen Beziehungen. Luxemburg möchte die Weltraumnation Russland mit in sein Space-Mining-Boot nehmen. Bereits im Februar 2018 vereinbarten Etienne Schneider und Dmitri Rogosin in Moskau die Schaffung eines „Conseil de la coopération scientifique et technique“. Der Rat würde sich u.a. mit Bergbautechnologien unter extremen Bedingungen und mit Weltraumtechnologien beschäftigen. Beide Länder würden auch die wissenschaftliche Zusammenarbeit für den Abbau und die Verwertung von Rohstoffen auf Himmelskörpern fördern, hieß es von der Luxemburger Regierung.

Alles wunderbar zwischen Luxemburg und Russland? Wie sieht es mit den Wirtschaftssanktionen nach der Einverleibung der Krim aus? Wer sie konkret spürt, sind zumindest Luxemburgs Bauern. Exportierten sie 2013 noch Fleischerzeugnisse für 325.000 Euro nach Russland, so liegen laut Statec ab 2014 keine Angaben mehr vor. Die westlichen Sanktionen hatte Moskau mit Gegenmaßnahmen pariert und den Import von Landwirtschaftserzeugnissen aus den betroffenen Staaten verfügt.

Eine Entwicklung, die auch 2018 noch anhielt, bestätigte uns die Landwirtschaftskammer. Ob dennoch Luxemburger Fleisch oder Milch über Umwegen auf den russischen Esstisch landet, ist freilich eine andere Frage. Einem Bericht des EU-Parlaments von 2017 ging der Export im Zeitraum von 2014 bis 2016 um 3,9 Prozent zurück. Allein die Ausfuhr von Agrarerzeugnissen verringerte sich um zwei Prozent. Insgesamt wurde der Rückgang für die EU auf 10,7 Prozent geschätzt.

Luxemburg nimmt politisch eine nuanciertere Haltung ein

Doch das alles tut der „Entente“ zwischen beiden Ländern keinerlei Abbruch. Wie bereits sein Amtsvorgänger Jean-Claude Juncker trifft sich auch Xavier Bettel regelmäßig mit Dmitri Medwedew. Im Oktober 2015 sahen sie sich in Sotschi, im Juli 2016 in Ulaanbaatar in der Mongolei. Im Oktober 2017 besuchte Bettel seinen Amtskollegen in Moskau, nahm mit diesem an einem Rundtischgespräch bei einem Innovationsforum in Medwedews Prestigeprojekt, dem Innovation- und Technologiepark Skolkowo bei Moskau, teil. Bei derselben Gelegenheit festigte man die Beziehungen mit der Region Tambow. Deren Gouverneur Alexander Nikitin trat im April zum Gegenbesuch in Luxemburg an.

Unlängst nahm eine Gruppe Studenten der Uni Luxemburg an einem mehrtägigen interdisziplinären Seminar an der Uni Tambow teil. Man tauschte sich über das Schicksal Luxemburger Kriegsgefangener im Lager Tambow im Zweiten Weltkrieg und über die Wahrnehmung des Kriegs in beiden Ländern aus.

Politisch nimmt Luxemburg eine nuancierte Haltung gegenüber Russland ein. Es beschwört einerseits seine Solidarität mit dem aktuellen, harten Sanktionskurs der Bündnispartner, andererseits bemüht sich das Land um Ausgleich. Bettel betont bei jeder Gelegenheit, man müsse den Dialog aufrechterhalten.

Die historisch gewachsenen guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern erklären die besondere Rolle, die Luxemburg ungeachtet seiner Geografie und Demografie für Russland spielt. Hinzu kommt, dass die eigenen Aussagen zufolge überzeugten Europäer aus Luxemburg in Ermangelung geopolitischer Interessen eher als uneigennützige Vermittler anerkannt werden als andere, größere EU-Staaten.

Die EU ist Russlands größter Handelspartner

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn misst den politischen Aspekten von Medwedews Besuch daher auch größere Bedeutung als den ökonomischen bei. Es werde zwar über wirtschaftliche und finanzpolitische Fragen diskutiert, doch die Visite des russischen Premiers sei hauptsächlich politisch von Bedeutung, betont Asselborn. Medwedew wolle ein Signal geben, dass die Kontakte zur EU noch nicht abgebrochen seien, vor allem aber, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne und dass Russland normale Beziehungen mit den europäischen Ländern anstrebe.

Die EU sei bei Weitem der größte Handelspartner Russlands, weit vor China und den anderen asiatischen Partnern, sagt Asselborn. Daher auch das Interesse Russlands an guten Beziehungen mit der EU. In der Union gebe es eine Reihe von Ländern – Asselborn nennt hierbei neben Luxemburg auch Deutschland, Belgien, Spanien und Portugal –, die der Ansicht seien, dass man weiterhin in Kontakt bleiben sollte, auch wenn man die Ereignisse, die u.a. zu den Sanktionen gegen Russland geführt haben, nicht gutheißen könne.

Europa werde nicht sicherer, wenn man mit Russland auf Konfrontationskurs gehe. Russland brauche die EU ökonomisch, die EU brauche Russland politisch. In einer Welt, in der sich die USA und China aneinander reibten, die Welt quasi unter sich neu aufteilen wollten, können weder die EU noch Russland allein das notwendige Gewicht aufbringen, um sich Gehör zu verschaffen.

Russische Gemeinschaft in Luxemburg

Von den großen politischen Verwerfungen ist innerhalb der russischen Gemeinschaft in Luxemburg nur am Rande etwas zu spüren. Als „sehr positiv“ bezeichnet Wsevolod Yampolski das Verhältnis zwischen Russen und Luxemburgern. Er ist Präsident des 2009 gegründeten Russian Club of Luxembourg, einer Dachorganisation russischer Vereine. Das Großherzogtum tue alles, um das Verhältnis zu Russland zu verbessern, beteuert er.

Und die Sanktionen? Na ja, der Finanzsektor bekomme dies wohl zu spüren, sagt Yampolski, der selbst im Immobiliengeschäft tätig ist. Man sei erneut vorsichtiger gegenüber russischen Handelspartnern geworden. Yampolski erinnert das an die Situation vor 20 Jahren, als fast jeder russische Geschäftsmann automatisch als Gangster betrachtet wurde, dessen Geld wohl nur aus unlauteren Geschäften stammen konnte. Nach einer Überprüfung, dass alles in Ordnung sei, gehe heute aber alles seinen gewohnten Gang.

Zumindest an der sogenannten Basis ist das Verhältnis zwischen beiden Ländern demnach gut. 1.631 Bürger der Russischen Föderation lebten laut Statec Anfang 2018 in Luxemburg. Die Zahl der Russophonen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken dürfte jedoch weit darüber liegen.

Wie viele Oligarchen darunter seien? Einer Antwort weicht Yampolski aus. Die wohnen doch ohnehin alle an der Côte d’Azur, meint er lächelnd. Und: Es wäre doch gut für Luxemburg, wenn solche Personen nun aus London ins Großherzogtum kommen würden. Das Land bleibe für Russen nach wie vor attraktiv, ergänzt er. Die meisten, die kommen, seien bestens ausgebildete junge Menschen. Sie arbeiten bei großen Beratungsfirmen und IT-Unternehmen. Sie würden helfen, Luxemburg vorwärtszubringen.

Grober J-P.
5. März 2019 - 13.47

Heiter bis leicht bewölkt, hier vielleicht. In Russland wäre es für den H. Bettel mehr als duster! Schade, um Russland, hätte geglaubt nach Gorbatschow würden die Russen in den neuen Frühling starten. Was bleibt?

Muller Guy
5. März 2019 - 7.09

Bleiw doheem, Butler vun engem Kriminellen!