Geheim(nisvoll)es Nachtleben: Von nächtlichen Schwärmern, Kobolden und Himmelskörpern

Geheim(nisvoll)es Nachtleben: Von nächtlichen Schwärmern, Kobolden und Himmelskörpern

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Seit jeher sind die Menschen von der Nacht fasziniert, verklären sie romantisch oder empfinden die Dunkelheit als Bedrohung. Gleichzeitig bedeutet sie für die meisten, zur Ruhe zu kommen und im Schlaf Erholung zu finden. Doch unter der Sternenkuppel bevölkern zahlreiche Nachtwesen helle Mondlandschaften oder dunkle Wälder. Das Nationalmuseum für Naturgeschichte präsentiert die Nacht mit ihren Facetten für alle Alterstufen höchst abwechslungsreich.

Die Nacht – ein universelles Thema, das eine ganze Reihe wissenschaftlicher Disziplinen beschäftigt wie die Astronomie, Anthropologie, Biologie, Physiologie oder Verhaltensforschung. Denn die Zeit zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen ist mit zum Teil weltumspannenden Themen verknüpft: Schlaf und Traum, Flora und Fauna, aber auch den Galaxien des Universums. Hinzu kommt der ganz und gar unwissenschaftliche Bereich der Mythen und Monster. Insgesamt also ein Gegenstand, der es schon aufgrund dieser Komplexität in sich hat.

Umso erfreulicher, dass das Ausstellungskonzept, ursprünglich vom Pariser „Musée national d’histoire naturelle“ entworfen, all diese Aspekte aufgreift. Es bietet je nach persönlichem Interesse sowohl grundlegende Informationen als auch Detailwissen, multimedial aufbereitet. Die Mischung aus bilingualen Erklärtexten (auf Französisch und Englisch), Grafiken, Computeranimationen, Videos sowie interaktiven (Rate-)Spielen lässt den Rundgang zu einer spannenden und unterhaltsamen Reise werden. Hauptprotagonisten sind Säugetiere, Vögel, Schlangen, Amphibien und Insekten – Highlights der Präparationskunst, die in thematischen Gruppen in Szene gesetzt sind.

Die Rauminstallationen sind atmosphärisch verdichtet durch sinnlich erfahrbare Komponenten wie Licht, Klang und Ton, sodass es leichtfällt, in die nächtliche Lebenswelt der Natur einzutauchen: heimelig oder schaurig, je nach subjektivem Empfinden, das „Huhuu“ eines Uhus, erhaben auf dem Baum einer stilisierten Waldlandschaft sitzend. Diese größte Eulenart gehört wie die dazu gruppierten Hirsche, Dachse, Marder zu den nachtaktiven Vertretern der Biodiversität im Wald. Sie suchen Nahrung oder einen Partner, jagen oder grenzen ihr Territorium ab.

Warum träumen wir?

Einen Schwerpunkt bildet die Bedeutung der Sinne für die Nachtaktiven – insbesondere des Hör-, Seh- oder Geruchssinns – die zwecks Anpassung an die Dunkelheit besondere Strategien entwickelt haben. Mehrere Stationen greifen dieses Thema mit multimedialen Angeboten auf. „Warum träumen wir?“ Diese und weitere Fragen rund um den Schlaf werden kurz und prägnant beantwortet. Forschungsergebnisse der Chronobiologie, die auf der Erkenntnis aufbauen, dass sich der menschliche Organismus dem Tag-Nacht-Zyklus nicht entziehen kann, werden ausführlich dargestellt.

Ein Video dokumentiert das spannende Experiment des französischen Geologen Michel Siffre, der 1962 zwei Monate in einer Höhle ohne jeden zeitlichen Anhaltspunkt verbrachte. Sein Versuch führte zur Entdeckung der inneren Uhr des menschlichen Körpers, dem zuverlässigen Empfinden von Tag und Nacht. Biologische Rhythmen stellen sich im Tierreich sehr unterschiedlich dar, vor allem im Hinblick auf Schlafdauer und -rhythmus. Während Fledermäuse bis zu 20 Stunden am Tag schlafen, können bei Elefanten schon zwei reichen.

Manche Vögel kommen mit maximal einer Stunde Powernapping am Tag aus, andere schlummern im Flug und können dabei nicht nur in Tiefschlaf fallen, sondern sogar in kurze, wenige Sekunden dauernde REM-Phasen. Das Schlafen mit einer Gehirnhälfte beherrschen zum Beispiel Enten am Rande ihrer Gruppe und halten dabei mit einem Auge Ausschau nach möglichen Feinden. Einige Exponate zeigen die individuelle Schlafposition einer Tierart, zum Beispiel eng aneinandergeschmiegte Eichhörnchen im Nest oder Ente und Schwan auf einem Teich mit auf dem Rücken abgelegten Kopf.

Für Sterngucker und Astronomie-Fans hält die Ausstellung eine großartige Entdeckungsreise zum Nachthimmel bereit. Der Begegnung mit Planeten, Sternbildern und Galaxien kann hier ausgiebig gefrönt werden. Getrübt wird dieses Vergnügen, wenn man sich mit dem Problem der Lichtverschmutzung auseinandersetzt, das inzwischen erschreckende Ausmaße angenommen hat. Der Ausstellung kommt das Verdienst zu, auch dieses Thema zu dokumentieren.

Insgesamt eine Schau, die direkt und engagiert mit dem Publikum kommuniziert, die Vielfalt der Nacht widerspiegelt und einen gelungenen Beitrag zum Verständnis elementarer Lebens- und Naturvorgänge leistet.

 

Von unserer Korrespondentin Martina Kaub