Fuentes-Affäre: Frank Schlecks umstrittene Trainingsplan-Theorie feiert zehnjähriges Jubiläum

Fuentes-Affäre: Frank Schlecks umstrittene Trainingsplan-Theorie feiert zehnjähriges Jubiläum

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Vor zehn Jahren erreichte der Doping-Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes Luxemburg. Frank Schleck soll dem gelernten Gynäkologen rund 7.000 Euro für einen Trainingsplan überwiesen haben. Während einige Akteure von damals Schleck die Trainingsplan-Theorie nicht abnehmen, wird sich in Luxemburg immer noch nicht zum Thema geäußert.

Lesen Sie auch zu diesem Thema das Editorial von Chris Schleimer

«Schauen Sie sich doch einfach den russischen Doping-Skandal an, dann verstehen Sie, wieso auch die Fuentes-Affäre nie ganz aufgeklärt wurde. Zu viele mächtige Menschen mit zu vielen Interessen.» Enrique Gomez Bastida hat zehn Jahre dafür gekämpft, dass die ganze Wahrheit im Doping-Skandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes ans Licht kommen sollte.

Er leitete für die Guardia Civil die Operación Puerto im Jahr 2006 und war somit maßgeblich an der Enthüllung eines der größten Doping-Skandale in der Sportgeschichte beteiligt. «Als wir mit den Ermittlungen begannen, war uns noch nicht bewusst, dass wir an einer so großen Sache dran sind.»

Der gelernte Gynäkologe Fuentes entwickelte Dopingprogramme für zahlreiche Top-Athleten. Vor allem für Blutdoping wurde der Spanier aufgesucht. Die Bilder der sichergestellten Blutbeutel in seiner Madrider Praxis gingen um die Welt. Bis heute ist nur ein kleiner Teil der Fuentes-Kundschaft bekannt. «Wir haben damals viele Blutbeutel sichergestellt, die wir keinem Sportler zuordnen konnten», so Gomez Bastida. Insgesamt waren es 211 Blutkonserven, die er und seine Kollegen von der Guardia Civil gefunden hatten.

Nach zwei Jahren auch in Luxemburg

Es folgte ein langer Rechtsstreit. Zwischenzeitlich hatte ein spanisches Gericht sogar die Vernichtung der Beutel angeordnet. Ein Urteil, das später wieder revidiert wurde. Mittlerweile sind die Beweismittel im Besitz der Welt-Antidoping-Agentur (WADA) und befinden sich in einem Labor außerhalb Spaniens und sind Gegenstand aktueller Ermittlungen.

Die Fuentes-Kunden brauchen aber keine Angst vor Sanktionen zu haben, denn mögliche Vergehen sind verjährt. Ob ihre Namen dennoch an die Öffentlichkeit gelangen dürfen, bedarf noch datenschutzrechtlicher Abklärungen. Laut Ankündigung der WADA soll der Fall bis Mai 2019 komplett abgeschlossen sein. Gomez Bastida glaubt allerdings nicht mehr an eine lückenlose Aufklärung: «Ich habe damit abgeschlossen.»

Auch wenn die Fuentes-Affäre 2006 als «spanischer Dopingskandal» betitelt wurde, so ging das Ausmaß weit über die Iberische Halbinsel hinaus. Mit zweijähriger Verspätung erreichte die Affäre dann auch Luxemburg. Im Juli 2008 berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ), dass Frank Schleck Kontakt zu Fuentes gehabt habe.

Schleck: «Böswilliger Artikel»

Der luxemburgische Radprofi bestritt die Vorwürfe und sprach von einem «böswilligen Artikel». Als die SZ im September 2008 dann von einer Überweisung von 6.991,91 Euro von Schleck an Fuentes berichtete, hüllte sich der Luxemburger erst einmal in Schweigen. Erst Tage später erklärte er, die Überweisung sei für einen individuellen Trainingsplan gewesen. Er habe Fuentes allerdings nie getroffen und wusste auch nicht, an wen er das Geld überwiesen habe. Man habe ihm lediglich gesagt, dass es sich um renommierte Experten handeln würde. Als der Fuentes-Skandal öffentlich wurde, habe er dann auch nicht mehr versucht, sein Geld zurückerstattet zu bekommen.

Bis heute hat Schleck nicht erklärt, wer den Kontakt zu Fuentes hergestellt hatte. 2008 sagte er nur, er wolle keinen mit hineinziehen, der es vielleicht selbst nicht besser gewusst habe. Auch heute scheint Schleck, sich nicht zum Thema äußern zu wollen – eine Interview-Anfrage des Tageblatt blieb unbeantwortet.

Schlecks Teamkollege bei CSC im Jahr 2004, Jörg Jaksche, findet die Aussagen des Luxemburgers auch heute noch recht abenteuerlich. «Er kann mir auch gerne 7.000 Euro dafür überweisen, dass ich nichts tue.» Es hat bis heute auch kein anderer Radprofi erklärt, Fuentes für die Erstellung eines Trainingsplans aufgesucht zu haben.

Trainingsplan auf welcher Grundlage?

Jaksche hatte als einziger Radprofi zugegeben, dass er Kunde von Fuentes war. Er stellte sich als Kronzeuge zur Verfügung. Als Konsequenz fand er anschließend keinen Rennstall mehr, der ihn verpflichten wollte, und beendete seine Karriere. «Fuentes wurde sicherlich nicht aufgesucht, um Trainingspläne zu erstellen», sagt Jaksche, der nach seiner Karriere in Australien seinen Master in «International Business» machte und mittlerweile im Finanzsektor arbeitet.

Schlecks Erklärung mit dem Trainingsplan kauft Jaksche ihm nicht ab. «Für einen Trainingsplan muss erst einmal eine Leistungsdiagnostik gemacht werden, damit man auch brauchbare Werte hat. Wo soll die denn durchgeführt worden sein?»

Auch für Gomez Bastida scheint klar, dass Fuentes keine alltäglichen medizinischen Dienste angeboten hat. «Er hat nicht als normaler Arzt gearbeitet und sich um Verletzungen von Athleten gekümmert. Er hat Dopingprogramme erstellt.»

Tyler Hamilton kann es nicht glauben

Ein weiterer ehemaliger CSC-Fahrer und überführter Fuentes-Kunde, Tyler Hamilton, glaubt Schleck ebenfalls nicht. «Ich gehe davon aus, dass Frank Schleck mit Dr. Fuentes genau dasselbe getan hat wie ich auch, nämlich sich zu dopen», hatte er 2012 dem dänischen Radio DR erklärt. Fuentes habe ihm selbst auch nie Ratschläge fürs Training gegeben und Hamilton glaubt, dass der Spanier dazu auch nicht in der Lage gewesen wäre. Zudem konnte Hamilton nicht glauben, dass Schleck diese Affäre unbeschadet überstanden hat.

Das Verfahren gegen den Luxemburger wurde im Dezember 2008 von der luxemburgischen Anti-Doping-Agentur aus Mangel an Beweisen eingestellt. Auf Nachfrage des Tageblatt wunderte man sich bei der ALAD über das Interesse an dem Fall und ließ verlauten, dass der Verwaltungsrat beschlossen habe, sich nicht zu dem Thema zu äußern. Es gebe schließlich kein neues Moment. Außerdem habe die Behörde 2008 alles in ihrer Macht Stehende unternommen, um den Fall voranzutreiben.

ALAD fragt Journalisten anstatt das BKA

Die ALAD hatte 2008, unter dem damaligen Verwaltungsratspräsidenten Robert Schuler, erklärt, dass man bei den spanischen Behörden, dem Internationalen Radsportverband (UCI) sowie beim Journalisten der SZ um Auskunft gebeten habe, allerdings ohne großen Erfolg. Die Frage, wieso die ALAD vor zehn Jahren beim Journalisten nachgeforscht und nicht den Kontakt zum Bundeskriminalamt gesucht hat, das ausdrücklich im SZ-Artikel erwähnt wurde, bleibt unbeantwortet.

An eine Anfrage aus Luxemburg kann sich Gomez Bastida nicht genau erinnern, schließt es aber nicht aus. «Allerdings hätten wir da nicht helfen können. Bei der Operación Puerto haben wir nur einen Teil der Dokumente von Fuentes und seiner Organisation sichergestellt. Die Überweisung von Frank Schleck geht auf die Ermittlungen ausländischer Behörden zurück.» Obwohl Schleck immer wieder mit den Blutbeuteln mit dem Codenamen «Amigo de Birillo» (als Birillo wurde Schlecks Teamkollege Ivan Basso identifiziert, d.Red.) in Verbindung gebracht wurde und noch heute wird, war der Fall für die ALAD im Dezember 2008 abgeschlossen.

Nicht nur auf die Sportler zeigen

Sollte die WADA im Mai 2019 mitteilen, dass der «Amigo de Birillo» doch nicht Frank Schleck war, heißt das noch lange nicht, dass der Luxemburger kein Fuentes-Kunde war. «Das bedeutet nur, dass er im Moment der Razzia kein Blut bei Fuentes gelagert hatte», betont Jaksche.

Für den ehemaligen Radprofi ist es aber zu einfach, nur mit dem Finger auf die Sportler zu zeigen. «Bevor ich selbst dazu bereit war, auszusagen, musste ich erst verstehen, dass ich Teil eines Systems war, in dem ich nicht nur Täter, sondern auch Opfer war. Als Fahrer waren wir den Team-Managern ausgeliefert, die uns zum Dopen zwangen und uns fallen ließen, wenn wir erwischt wurden. Erst wenn man sich darüber im Klaren ist, kann man auch die Verantwortung für sein eigenes Handeln übernehmen. Leider sind viele Fahrer aus meiner Zeit noch nicht an dem Punkt angelangt.»

Die Welt war nicht bereit

Als Jaksche sich dazu entschloss, auszusagen, drohte ihm sein ehemaliger Team-Manager Bjarne Riis, dafür zu sorgen, dass er nie wieder in den Radsport zurückkehren könne. Auch mit einer Klage wurde Jaksche gedroht, die allerdings nie eingereicht wurde. «Die wissen ja, dass ich die Wahrheit gesagt habe. Mit einer Klage hätten sie sich ja selbst gefährdet.»

Problematisch wird es für Jaksche dann, wenn diese Leute später trotzdem im Sport tätig bleiben und vor allem, wenn sie sich im Jugendbereich engagieren wollen. «Was wollen die dem Nachwuchs denn vermitteln? Nur wenn sie ihre eigene Vergangenheit aufarbeiten und dazu stehen, was sie damals getan haben, können sie eine Bereicherung für den Sport sein.» Bleibt die Frage, wieso der Druck aus der Öffentlichkeit nach der Operación Puerto 2006 nicht größer war. Für Gomez Bastida ist die Antwort klar: «Die Welt war 2006 einfach noch nicht bereit für einen so großen Skandal. Vielleicht wäre es heute anders.» – Vielleicht.


Ein turbulentes Jahr 2008

2008 war ein turbulentes Jahr für den luxemburgischen Sport. Aus sportlicher Sicht war die Tour de France äußerst erfolgreich verlaufen. Frank Schleck und Kim Kirchen trugen vorübergehend das „Maillot jaune“, Kirchen zudem noch das Grüne Trikot und Andy Schleck gewann das Weiße Trikot des besten Jungprofis. Doch die Tour hatte auch noch eine andere Seite. So wurde der Vater der Schleck-Brüder vom französischen Zoll kontrolliert. Man hat nach verbotenen Mitteln gesucht, aber nichts gefunden. Auch der Wagen des Luxemburgers René Thill wurde kontrolliert. Er konnte aber nach rund 15 Minuten weiterfahren. Nur einen Tag später veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung ihren Artikel, in dem sie die Verbindung von Frank Schleck zum Dopingarzt Fuentes hergestellt hatte.

Krecké: Kein Kommentar

Das rief sogar den damaligen Sportminister auf den Plan. Jeannot Krecké machte sich sofort auf den Weg nach Frankreich. «Ich habe damals, als zunächst Johny Schleck donnerstags von der Polizei verfolgt und dann der Artikel über die Verbindung von Frank zum Dopingarzt Fuentes in der Süddeutschen Zeitung freitags erschien, den Regierungsrat fallen gelassen und bin sofort zu ihnen gefahren. ’Ich würde jetzt gerne wissen, was hier läuft‘, habe ich gesagt. Ich wollte auch Johny ein bisschen schützen, denn die Art und Weise, wie mit ihm umgegangen wurde, war inakzeptabel. Wir haben geredet und ich habe mich anschließend vor sie gestellt. Dazu stehe ich heute noch», erklärte Krecké in einem Tageblatt-Interview im Sommer 2009 und gab zu, sich darüber im Klaren gewesen zu sein, ein Risiko eingegangen zu sein. Auf Nachfrage des Tageblatt wollte Krecké die Geschehnisse von damals nicht mehr kommentieren. Es sei zu lange her und die Details seien ihm deswegen nicht mehr so präsent.

Aber nicht nur der Radsport schrieb Dopingschlagzeilen. Bei dem damals 16-jährigen Schwimmer Raphaël Stacchiotti wurde ein erhöhter Kortisonwert festgestellt. Der Schwimm-Weltverband sprach den Luxemburger aber in allen Belangen frei, da die Menge so gering war, dass sie unter Umständen vom Körper selbst habe produziert werden können.


Das Rätsel der Blutbeutel

Bei der Razzia in den Räumlichkeiten von Eufemiano Fuentes wurden Blutbeutel sichergestellt, die mit Codenamen versehen waren. Bis heute sind zahlreiche Blutbeutel noch immer keinem Sportler zugewiesen und so reißen die Spekulationen nicht ab. Jahrelang wurde vermutet, dass sich hinter dem Decknamen „Clasicomano Luigi” der Schweizer Fabian Cancellara vergbergen würde. 2016 hat der Niederländer Thomas Dekker dann erklärt, dass er bei Fuentes unter dem Namen „Clasicomano Luigi” geführt wurde. Äußerst beliebt als Code waren Hundenamen.

Jörg Jaksche wurde zum Beispiel unter Bella, dem Namen seiner schwarzen Labrador-Hündin, geführt. So auch der ehemalige CSC-Fahrer und Teamkollege von Frank Schleck, Ivan Basso, dessen Hund Birillo hieß. Aus dem Grund wird vermutet, dass der „Amigo de Birillo“ ebenfalls ein Fahrer aus dem CSC-Team ist. Neben Schleck wird auch Giovanni Lombardi mit dem Namen in Verbindung gebracht, der nach seiner aktiven Zeit Manager der Schleck-Brüder war.

Ein weiterer Hundefreund ist der aktuelle Straßenweltmeister Alejandro Valverde. Sein Hund hieß Piti und Valverde wurde in Fuentes’ Kartei als “Valv.Piti” geführt. Der Spanier wurde wegen seiner Verwicklung in die Fuentes-Affäre für zwei Jahre gesperrt, hat sich aber nie dazu geäußert. Vor kurzem erklärte er noch, dass er es eine Unverschämtheit finde, von Journalisten auf dieses Thema angesprochen zu werden.


Die Dienste von Fuentes

Der gelernte Gynäkologe Eufemiano Fuentes hat zahlreiche Sportler mit Dopingmitteln und Dopingprogrammen versorgt. Am bekanntesten ist Fuentes aufgrund der sichergestellten Blutbeutel für das sogenannte Blutdoping. Er nahm den Sportlern Blut ab, um es ihnen später wieder zuzuführen.

So wird die Anzahl der roten Blutkörperchen im Körper gesteigert, was zu einem besseren Sauerstofftransport führt. Fuentes hat eigenen Angaben zufolge nicht nur mit Radsportlern zusammengearbeitet. Er sagte auch, dass er Fußballvereine aus der ersten spanischen Liga betreut habe. In der französischen Zeitung Le Monde berichtete Fuentes über Dopingpraktiken beim FC Barcelona und Real Madrid, zog diese Aussagen aus Angst vor Klagen der Vereine dann wieder zurück. Le Monde wurde zu Schadenersatzzahlungen verurteilt.

Fuentes hatte in seinem Prozess erklärt, jederzeit eine Liste mit seinen Kunden preisgeben zu können, doch die Richter waren nicht daran interessiert. Bekannt ist lediglich, dass er den Klub Real Sociedad mit Dopingmitteln versorgte. Fuentes war übrigens 2010 auch in die Operación Galgo verwickelt, dabei handelt es sich um Dopingermittlungen der Guardia Civil in der Leichtathletik.

Mephisto
14. November 2018 - 8.33

Es ist eigentlich vollkommen normal, dass unsere Radprofis genau so gedopt haben wie die anderen auch. Die fadenscheinigen Ausreden von F.S. sind nicht ernst zu nehmen.

roger wohlfart
13. November 2018 - 22.39

Und wir haben trotzdem alle mit ihnen gefiebert und an sie geglaubt, an alle unsere Profiradfahrer, ohne Ausnahme!