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Fondation de Luxembourg: Tiere im Gefängnis und Brillen für den Kongo

Fondation de Luxembourg: Tiere im Gefängnis und Brillen für den Kongo

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Während die Philanthropie in manchen Ländern unter Druck gerät, versucht Luxemburg, den Bereich aktiv zu fördern. Zu diesem Zweck wurde die Dachstiftung «Fondation de Luxembourg» (FDL) gegründet. Die Organisation wird von der ehemaligen schwedischen Diplomatin Tonika Hirdman geleitet.

Tageblatt: Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde die Fondation de Luxembourg gegründet, unter anderem mit dem Ziel, den Aufbau von Stiftungen zu vereinfachen. Ist die Gründung einer Stiftung denn so schwierig?

Tonika Hirdman: Es gab viel ungenutztes Potenzial im Bereich der Philanthropie in Luxemburg. Demnach gab es einen Bedarf für eine Anlaufstelle, an die sich interessierte Stifter wenden können. Aber es stimmt schon, dass die Gründung einer Stiftung damals eine langwierige und komplexe Prozedur war. Man benötigte einen Anwalt. Die Prozedur konnte ein Jahr dauern. Mit der Fondation de Luxembourg und einer guter Vorbereitung ist das nun jedoch innerhalb einiger Wochen möglich. Der Grund ist, dass die Stiftung, die unter dem Dach der Fondation gegründet wird, keine eigenen Statuten erhält. Ich verstehe schon, dass das Justizministerium Zeit braucht, ehe eine neue Stiftung als gemeinnützig erklärt wird. Immerhin werden mit diesem Siegel eine ganze Reihe steuerlicher Abschreibungen möglich.

Aber will ein Stiftungsgründer nicht «seine eigene» Stiftung gründen?

Es gibt schon Leute, die das bevorzugen. Aber das ist alles sehr aufwendig. Und wir begleiten die Stiftung in den verschiedenen Phasen ihres Lebens. Wir garantieren beispielsweise, dass – sollte der Gründer einmal nicht mehr sein– die Stiftung in seinem Sinne, laut den Statuten, weiterarbeitet. Wir haben eigene Experten und bekümmern uns fdie eherbergten Stiftungen um alles von Buchhaltung und Sekretariat bis zur Kontrolle der unterstützten Projekte.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie?

Wir sind ein kleines Team von sieben Personen. Und wir verwalten viele Stiftungen. Darunter eine Anwältin, einige mit Erfahrungen aus Nichtregierungsorganisationen sowie Verwaltung und eine Person für die Kommunikation.

Unter dem Dach der Fondation sind mittlerweile 78 Stiftungen vereint … und in jeder einzelnen verfügen Sie über ein Vetorecht …

Ja … als Vertreter der FDL. Jede beherbergte Stiftung hat als Entscheidungsgremium eine Art Verwaltungsrat, ein «comité de gestion». Hier sind jeweils der oder die Gründer vertreten, ein unabhängiger Experte und jeweils ein Vertreter der FDL – normalerweise ich als Direktorin. Dort habe ich ein Vetorecht, um dafür zu sorgen, dass alle Entscheidungen dem Gemeinwohl nützen und nicht gegen die Statuten der FDL verstößt. Insgesamt sind wir da, um den Gründer bei seiner Initiative zu unterstützen. Um ihm zu helfen, seine Ideen umzusetzen. Wir müssen aber sicherstellen, dass es sich nicht um «private» oder «kommerzielle» Projekte handelt. Das ist unsere Verantwortung.

Und neben der Schreibarbeit kümmern Sie sich auch noch um die Verwaltung des eingesetzten Vermögens?

In unseren Team haben wir einen Experten der Vermögensveraltung. Er steht im Kontakt mit den Banken oder Vermögensverwaltern, die das Kapital der Stiftungen verwalten. Welches Finanzinstitut (in Luxemburg) genutzt wird, entscheidet der Stifter. Wir versuchen sie davon zu überzeugen, auf eine sozial-verantwortliche Investitionspolitik zu setzen. Mit dem erwirtschafteten Gewinn werden dann die Projekte unterstützt. Schlussendlich gibt es aber zwei Arten von Stiftungen: die, deren Kapital in der Bank bleibt, und die, die auf Zeit angelegt ist und das eingesetzte Geld verbraucht. Daher kommt es, dass wir insgesamt 80 Stiftungen gegründet haben – Ende 2018 jedoch nur noch 78 zählten. Die beiden anderen waren bereits an ihrem Ende angekommen.

Welche Art ist beliebter?

Die erste, die mit Kapital. Stifter wollen oft sicherstellen, dass ihr Vermögen auch in vielen Jahren noch guten Zwecken zugute kommt. Oft handelt es sich um ältere Menschen ohne Kinder, die etwas machen wollen, was ihnen am Herzen liegt. Oder Geschäftsleute, die ihr Unternehmen verkauft haben, aber ihr Wissen einsetzen wollen.

Wie viel Geld hat die FDL bisher eingesammelt?

Insgesamt haben die Stifter uns eine Geldsumme von 200 Millionen Euro versprochen. Eingesammelt haben wir bisher rund 140 Millionen Euro. Der Rest liegt in sogenannten «schlafenden Stiftungen». Wir haben derer sechs. Die werden erst aktiv, wenn der Stifter stirbt.

Überprüfen Sie wirklich jedes einzelne Projekt?

Nein, das können wir uns nicht erlauben. Mit sieben Mitarbeitern können wir das nicht. Zudem würde es zu viel kosten. Wir fordern aber ein detailliertes Reporting von den Vereinigungen, die die Projekte umsetzen. Auch können wir über Botschaften oder andere Vereinigungen Informationen einholen. Wenn wir irgendwann aber Zweifel haben, dann gehen wir hin. In Paraguay war das einmal der Fall.

Und für die geleistete Hilfen wird die FDL von den beherbergten Stiftungen bezahlt?

Die minimale Stiftungssumme liegt bei 250.000 Euro. Für die Arbeit, die wir machen, erhalten wir 0,8 Prozent des eingebrachten Stiftungsvermögens. Das deckt dann all unsere Leistungen ab. Dazu zählen, wie gesagt, Gründung, Verwaltung, Tagesgeschäft sowie der Kontakt mit den Vereinigungen, die die Projekte tatsächlich umsetzen.

Reicht das, um alle Ausgaben der FDL zu finanzieren?

Bei unserer Gründung haben wir ein Kapital von fünf Millionen Euro erhalten. Die eine Hälfte kam vom Staat, die andere vom «Œuvre nationale de secours Grande-Duchesse Charlotte». Von diesen fünf Millionen sind noch drei übrig. Fast zwei Millionen wurden nur für den Start benötigt. Zusammen mit den bereits erwähnten 0,8 Prozent schaffen wir es mittlerweile fast, uns selber zu finanzieren. Vom Startkapital nehmen wir derzeit noch jedes Jahr ein wenig. Wir sind aber fast da.

Wie kommen die Ziele der beherbergten Stiftungen zustande? Da gibt es beispielsweise eine, die heraussticht: die Unterstützung blinder Kinder im Kongo …

Das ist ein neues Projekt von letztem Jahr. Dahinter steckt die Organisation «Light for the World». Indem man den fast blinden Kindern Brillen kauft oder ihnen das Lesen der Blindenschrift beibringt, kann man einen riesigen positiven Einfluss auf das Leben dieser Kinder haben. Und das alles, ohne sehr viel Geld auszugeben. Es muss nicht immer alles viel kosten in der Philanthropie. Oft sind es kleine Nischenprojekte, die Leben verändern. Manche dieser Projekte werden nach einigen Jahren von staatlichen Behörden übernommen und dann von ihnen weitergeführt. Die Philanthropie kann den Anstoß geben. Das wäre der Idealfall. Der Philanthrop kann dann ein neues Projekt angehen.

Wer kommt mit einer solchen Idee? Kongo ist weit von Luxemburg entfernt.

Über den Gründer selber will ich nicht zu viel sagen. Der Stifter ist ein ehemaliger Arzt, ein Optiker. Er wollte verwundbaren Menschen in Entwicklungsländern helfen. Unsere Experten haben zwei, drei unterschiedliche Projekte gefunden. Das «comité de gestion» hat sich für dieses entschieden.

Was ist Ihr Lieblingsprojekt?

Das wäre ein Projekt, das wir vor etwas mehr als zwei Jahren gestartet haben. In einem Gefängnis in Straßburg. Eine Organisation bringt Tiere ins Gefängnis. Die Insassen kümmern sich regelmäßig um sie. Das Projekt war sehr erfolgreich. Es hat viel dazu beigetragen, Spannungen zu verringern. Die Stifterin aus Frankreich wollte «etwas mit Tieren» machen. Da Philanthropie für uns aber immer auch mit Menschen verbunden ist, hatten unsere Experten unter anderem das Thema Therapie mit Tieren vorgeschlagen. Aufgrund des Erfolges entschied die Stifterin, mehr Geld einzusetzen. In anderen Gefängnissen in ganz Frankreich wurde das Projekt wiederholt. Mittlerweile interessiert sich das französische Justizministerium selber dafür. Möglicherweise gibt es auch Interesse in anderen Ländern.

Macht es einen Unterschied, ob man mit dem eigenen Vermögen eine Stiftung in Luxemburg oder etwa eine in Frankreich oder Spanien gründet?

In Spanien gibt es so etwas wie unsere Dachstiftung nicht. Mit der in Frankreich haben wir sehr gute Kontakte. Sie ist sehr viel größer, zählt viel mehr Stiftungen, hat 160 Mitarbeiter und kann auf eine 50-jährige Geschichte zurückblicken. Bei uns läuft das alles personalisierter. Ich kenne jeden einzelnen Stifter und sehe jeden regelmäßig. Auch ist die FDL internationaler ausgerichtet.

… und was Steuern angeht?

Das macht nicht wirklich einen Unterschied. Wenn man nicht Einwohner Luxemburgs ist, dann kann man die steuerlichen Abschreibungen im Lande nicht nutzten. Man kann nur das absetzen, wie es im jeweiligen Land es Stifters vorgesehen ist. Theoretisch macht es – steuerlich gesehen – also keinen Unterschied. Für den Franzosen zählt immer das französische Regime. In Luxemburg gewinnt er nichts – verliert aber auch nichts.

Kann der Stifter sein Geld einbringen, die Stiftung vererben … und können die Kinder dann wieder die Stiftung auflösen?

Nein, das geht nicht. Die Stiftungsgelder kann man nicht zurückfragen. Das geht nicht.

Warum tritt die Fondation de Luxembourg immer gemeinsam mit Vertretern des großen Finanzplatzes auf – nicht etwa mit der Mikrofinanz?

Die Antwort ist, dass wir eine gemeinnützige Stiftung sind … und potenzielle Philanthropen oft Kunde bei einer Bank. Den Bankberater fragen sie dann über eine Möglichkeiten eines philanthropischen Engagements. Wir investieren wir oft in Mikrofinanz. Wir sehen uns als Brücke zwischen den Hilfsorganisationen und den Philanthropen. Wir sind kein Finanzakteur – wir sind eine Stiftung. Die Banken sind häufig die ersten Ansprechpartner des potenziellen Philanthropen. Oft kommen Kunden gemeinsam mit ihm zu uns.

Was gibt es heute, was es ohne die Gründung der FDL vor zehn Jahren nicht gegeben hätte?

Insgesamt 80 Stiftungen wurden gegründet. 150 Projekte wurden finanziert. Ohne uns wäre zumindest ein Teil davon nie umgesetzt oder finanziert worden. Seit der Einführung des Stiftungsgesetzes 1928 in Luxemburg wurden 200 Stiftungen gegründet. Früher waren es etwa zwei pro Jahr gegründet – mit unseren 80 zusätzlichen sind es nun etwa acht pro Jahr. Das ist ein deutlicher Zuwachs. Hinzu kommt, dass Luxemburg heute als Land der Philanthropie bekannt ist. Das ist in Europa nicht mehr immer der Fall. In manchen Länder, etwa Ungarn oder Polen, werden immer höhere Hürden für Philanthropen aufgebaut. Dahinter steckt der Wunsch, selber entscheiden zu können, welche Zwecke finanziell unterstützt werden.