„Er war ein großes Stück Luxemburg“

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Volksnah, hervorragender Souverän der Luxemburger, würdevoll und sympathisch: So sprechen Einwohner aus Colmar-Berg von Grand-Duc Jean. Vereinzelte Häuser im Ort sind mit der luxemburgischen Fahne oder dem Porträt des Verstorbenen geschmückt wie bei Carole Soffiaturo und Isabelle Wickler.

Am Schloss hängt die Fahne auf halbmast, als Premier Xavier Bettel gegen 11.30 Uhr zum Kondolenzbesuch eintrifft. Die große schwarze Limousine mit dem auffälligen Kennzeichen „P 1“ hält kurz, die Tore zur Auffahrt öffnen sich und sind auch gleich wieder zu. Ansonsten geht der Alltag in der etwas mehr als 2.200 Einwohner zählenden Gemeinde seinen gewohnten Weg. Leere Straßen, kaum Menschen unterwegs, die meisten arbeiten.

Es ist der Dienstag nach Ostern. Carole Soffiaturos Balkon in der rue de la Poste fällt allerdings auf. Sie hat eine große luxemburgische Fahne am Geländer aufgehängt – mit Trauerflor. „Das war das Erste, was ich heute Morgen gemacht habe, als ich es gehört habe“, sagt die 52-Jährige. Einen Trauerflor hatte sie so schnell nicht zur Hand, da musste ein schwarzer Gürtel vom Mantel herhalten.

Die gebürtige Tetingerin lebt seit 17 Jahren in Colmar-Berg. „Für mich ist er immer noch der Grand-Duc“, sagt sie, „obwohl ich weiß, dass er im Jahr 2000 abgedankt hat.“ Wie viele in ihrem Alter ist sie mit dem äußerst beliebten Souverän aufgewachsen. „Das war so eine warmherzige Persönlichkeit“, sagt sie. Selbst begegnet ist sie ihm außer über das Fernsehen nicht, aber ihre Nachbarn, alteingesessene Colmar-Berger, sprechen gern von den Zeiten, als er noch die Geschicke des Landes mitverantwortet hat. „Er war so volksnah, was seinem Sohn ein bisschen schwerer fällt“, sagt sie.

Bewunderung für seinen Einsatz als Soldat

Zum Respekt für den Vater des aktuellen Großherzogs gehört die Bewunderung für seinen Einsatz als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Es ist eine der Geschichten, die Soffiaturo schon oft gehört und verinnerlicht hat. „Als er zurückkam, da war der Krieg wirklich für uns vorbei“, sagt Soffiaturo, „da war Luxemburg frei.“ Das war am 10. September 1944 und die Luxemburger ihrer Generation und der davor haben das nicht vergessen.

Politisch wird er in einem Atemzug mit Politikern unterschiedlicher politischer Farben in Verbindung gebracht. Pierre Werner (CSV), Jacques Poos (LSAP), Gaston Thorn (DP) oder Jacques Santer (CSV) sind Namen, die nicht nur mit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts verbunden werden, sondern in Soffiaturos Augen – und nicht nur in ihren – am Wohlstand Luxemburgs gefeilt haben.

„Die ganze Entwicklung von Luxemburg hat sich eigentlich unter Grand-Duc Jean abgespielt“, sagt sie und zieht eine Linie von „Banken und Finanzplatz bis zur Entwicklung des Kirchbergs“. 1964 bis 2000, das war die Zeit, in der sie erwachsen wurde. „Er war ein großes Stück Luxemburg“, sagt Soffiaturo, „und er war für die Menschen ein Vorbild.“ Diskret, ein skandalfreier Familienvater, ein guter Repräsentant des luxemburgischen Volkes, so hat sie ihn in Erinnerung.

„Überhaupt nicht überheblich und sehr freundlich“

Die Einwohner von Colmar-Berg sind der großherzoglichen Familie naturgemäß vor allem geografisch näher als der Rest der Bevölkerung. „Ich bin dem Erbgroßherzog Guillaume schon in der Apotheke begegnet“, erzählt Soffiaturo, „an die Wagen mit CD im Kennzeichen, die beim Schloss vorfahren, sind wir gewöhnt. Es ist eine Familie, die hier lebt.“

Isabelle Wickler bestätigt das. Sie lebt seit mehr als 30 Jahren mit ihrer Familie in der rue Schantz, etwas erhöht am Ortsausgang mit Blick auf das Schloss. „Ich erinnere mich, dass Jean hier in seinem Jeep auf dem Weg in den Wald vorbeigefahren ist und ganz freundlich aus dem Auto gewinkt hat“, sagt die 57-jährige Staatsbeamtin. „Er war überhaupt nicht überheblich und sehr freundlich“, sagt sie. Den „Fils de roi“ ließ er nie heraushängen.

Sie war dabei, als Großherzog Jean im Jahr 2000 abdankte und sich am Palais in der „Stad“ vom Volk verabschiedete. „Der letzte Rundgang, den er mit seiner Frau gemacht hat, das war so ergreifend“, sagt Wickler, „er strahlte Würde aus.“ Das ist der Charakterzug, der ihr sofort einfällt und den sie in Erinnerung behält. Sie gedenkt seiner mit einem großen Porträt mit Trauerflor an der Haustür. In den Töpfen mit den frisch blühenden Blumen stecken die luxemburgischen Fahnen. So wie es einem großen Staatsoberhaupt gebührt.