Einsamer Rufer auf dem Turm – Der letzte Nachtwächter Europas

Einsamer Rufer auf dem Turm – Der letzte Nachtwächter Europas

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Zwischen 10 Uhr abends und 2 Uhr morgens erklimmt Renato Häusler zur vollen Stunde die Plattform des Kirchturms der Kathedrale von Lausanne – auf dem Kopf einen Filzhut, in der Hand eine Laterne.

153 abgetretene Stufen aus Stein führen zu seinem Arbeitsplatz. Häusler ist Nachtwächter der Stadt am Genfer See und hält eine über 600 Jahre alte Tradition am Leben. „Dies ist der Nachtwächter! Es hat zehn geschlagen! Es hat zehn geschlagen!“, ruft er durch die zum Trichter geformten Hände über die Dächer der Stadt – genauso wie es all seine Vorgänger seit 1405 Nacht für Nacht getan haben.

Im Mittelalter mussten die Türmer und Nachtwächter in den Straßen nicht nur die Zeit ausrufen, sondern vor allem nach Feuer Ausschau halten. Ein Brand in den Holzhäusern konnte verheerende Folgen haben.

In Europa habe es „tausende, wenn nicht gar zehntausende“ Nachtwächter gegeben, sagt Häusler. Bessere Häuser und Öfen machten sie überflüssig. Auch Lausanne bräuchte keinen Nachtwächter mehr. „Aber der Stadt ist sehr daran gelegen, die Tradition zu erhalten“, sagt der 60-Jährige. „Dadurch wird Geschichte lebendig“, sagt Stadtrat David Payot. Als die Stadt Anfang der 1960er Jahre die Nachtwächter-Stunden kürzen wollte – damals tat dieser noch von 9 Uhr abends bis zum Morgengrauen Dienst –, hagelte es Protest. Die Bürger fürchteten, das sei der Anfang vom Ende der Tradition.

Europaweit sind letzten Nachtwächter etwa in den 1950er Jahren aus dem Dienst geschieden. In manchen, oft touristischen Städten gibt es jedoch Ehrenamtliche, die als Nachtwächter gekleidet Besucher führen und an die ausgestorbene Zunft erinnern.
Renato Häusler ist einer der letzten aktiven Nachtwächter in Europa – und er liebt seine Arbeit. 14 Jahre lang war er Ersatz-Wächter, bis er 2002 zum hauptamtlichen wurde.
In einer Zeit, in der sich alles um Profit und Effizienz drehe, genießt Häusler es nach eigener Aussage, eine Tradition zu pflegen, die eigentlich nicht mehr notwendig ist. Sein Lohn ist weit niedriger als der anderer Nachtarbeiter.

Geld verdient er mit seinem Zweitjob: Als Lichtkünstler beleuchtet er Veranstaltungen ausschließlich mit Kerzen. Die Stunde zwischen seinen Zeitansagen nutzt Häusler deshalb ab und an zum Kerzenziehen. Doch manchmal ist dafür gar keine Zeit: An jenen Tagen, an denen Einheimische und Touristen eingeladen sind, den Nachtwächter bei der Arbeit zu besuchen. 600 bis 700 Menschen kommen jedes Jahr, sagt Häusler.

Meistens genießt er die Aussicht 40 Meter über der Stadt aber ganz allein. „Im Sommer ist es großartig. Dann nisten Mauersegler im oberen Gang und fliegen abends herum“, schwärmt Häusler. Er ist stolz, eine Tradition aus dem 15. Jahrhundert fortzusetzen, und fühlt sich keineswegs überflüssig. „In einer völlig chaotischen Welt ist es, glaube ich, sehr beruhigend, Traditionen zu haben, die uns unsere Wurzeln entdecken lassen.“

Pierre Ravarin
17. Februar 2019 - 5.04

Schein dass der den font hut! Fir ein Intelligenten an Regierung oder Parlament ze fannen wäert vill mei Problemer hun!!! ?????

roger wohlfart
11. Februar 2019 - 18.25

Lausanne ist eine herrliche Stadt. Besonders die Altstadt um die Kathedrale ist absolut sehenswert. Diese mittelalterliche Figur des Nachtwächters passt ins idyllische Bild. Die Schweizer haben es verstanden in ihren Städten das Alte harmonisch mit dem Modernen zu verbinden. Das macht den Charme der eidgenössischen Städte aus.

KTG
10. Februar 2019 - 21.07

Titel: "Der letzte Nachtwächter Europas" Text: "In manchen, oft touristischen Städten gibt es jedoch Ehrenamtliche" und vor allem: "Renato Häusler ist einer der letzten aktiven Nachtwächter in Europa" Nun?