„Eine Epoche geht zu Ende“ – Trauer im „Bistrot de la presse“ vor dem Palais

„Eine Epoche geht zu Ende“ – Trauer im „Bistrot de la presse“ vor dem Palais

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Das „Bistrot de la presse“ befindet sich direkt gegenüber dem großherzoglichen Palast. Unzählige Fotos der großherzoglichen Familie zieren die Wände und verleihen dem Lokal so ein außergewöhnliches Flair. Bei den Kunden und bei Chefin Heidi Pia ist die Trauer am Dienstagvormittag groß.

„De Jang ass dout!“ Diese Nachricht erhielt Josy Bouquet, 87, als er am Dienstagmorgen beim Zahnarzt saß. „Ich hatte in der Zeitung gelesen, dass er im Krankenhaus sei. Wegen einer Lungenentzündung.“ Bouquet sitzt am Tresen im «Bistrot de la presse» und trinkt einen Kaffee. „Ech si paff an traureg“, fügt er hinzu. Neben ihm sitzt Menn Schaafs. Beide halten ein Porträtbild von Großherzog Jean in den Händen, das Wirtin Heidi Pia von der Wand genommen hat.

Auch Menn Schaafs ist betroffen. „Ich kann es kaum fassen. Vor drei Wochen noch war er im Fernsehen, beim Forum gegen Gewalt an Frauen. Da hat er noch Interviews gegeben. Und jetzt weilt er nicht mehr unter uns.“ Schaafs hatte eine besondere Verbindung zu Großherzog Jean. Seine Eltern führten in den 70er Jahren ein Bekleidungsgeschäft in Luxemburg-Stadt, das „Fournisseur de la Cour“ war. Als kleiner Junge war er ab und zu dabei, als sein Vater Kleider ins Schloss nach Colmar-Berg lieferte.

Vorzeigemonarch und Vorbild

„Eine Epoche geht zu Ende. Bei Großherzogin Charlotte war das auch so“, sagt Schaafs. „Jean war eine beeindruckende Persönlichkeit und hat sich immer an das gehalten, was ihm die Verfassung vorschrieb. Er hat für Zusammenhalt in unserem Land gesorgt, auch in schwierigen Zeiten.“ Für Schaafs war Großherzog Jean ein Vorbild und ein Vorzeigemonarch, der seine Rolle wie maßgeschneidert wahrnahm. „Die Tatsache, dass all diese Bilder hier hängen, bestätigt mich darin.“ Er zeigt auf die unzähligen Fotos und Porträts der großherzoglichen Familie, die die Wände des Bistros zieren.

«Das mit den Fotos ist eigentlich schon eine Geschichte für sich», sagt Wirtin Heidi Pia. „Ich hatte schon immer diese Verbundenheit mit der großherzoglichen Familie. Deshalb begann ich damit, Fotos an die Wände des Lokals zu hängen.“

Die gebürtige Portugiesin mit französischem Pass kam 1972 nach Luxemburg. 1998 übernahm sie das «Bistrot de la presse». Seitdem sind einige Jahre ins Land gezogen. Und seitdem haben sich die Wände mehr und mehr gefüllt. „Es gibt aber immer noch ausreichend Platz für weitere Fotos“, sagt Heidi, die vom Tode Jeans von ihrer Tochter erfuhr. „Ich war schockiert. Ich hatte gehofft, dass er wieder gesund werden würde.“

Empfang am 15. Dezember 1999

Großherzog Jean war zwar nie selbst im «Bistrot de la presse» gewesen. Dafür aber einmal bei einem Empfang in der «Maison de la presse». „Das war am 15. Dezember 1999. Ich kann mich daran erinnern, als wäre es gestern gewesen. Ich war damals zuständig für das leibliche Wohl der Gäste und habe dem Großherzog Schnittchen gereicht“, sagt Pia.

Michel Schiltz, 74, erfuhr von den Ereignissen, als er einen französischsprachigen Radiosender hörte. „Er war ein großer Staatsmann während einer Epoche, in der noch alles ein bisschen anders war als heute“, sagt er. „Damals gab es noch echten Respekt unter den Menschen – und Respekt vor den staatlichen Institutionen.“ Schiltz› Tischnachbar Mario Philippi sieht das ähnlich: „Ja, das waren in der Tat andere Zeiten damals, als er Monarch war.“ Der 65-Jährige, der seit dem 1. April in Rente ist, war am Montag auf einer Familienfeier. Großherzog Jean und sein Gesundheitszustand waren Gesprächsthema Nummer eins. „Wir haben ihm alle gewünscht, dass er 100 Jahre alt wird.“

Auch Josy Kontz hat eine spezielle Beziehung zu Großherzog Jean. Der 78-Jährige war einst Mitglied bei der „Garde grand-ducale“. Als Armeechef war Großherzog Jean sozusagen sein  Chef. „Ich stand mehr als einmal beim Palais Wache, als er mit dem Wagen ankam“, erinnert er sich. „Ich bin traurig und niedergeschlagen. Jeder Luxemburger steht zur Monarchie und muss in meinen Augen heute so empfinden.“

Am 4. Mai, wenn Großherzog Jean bei einem Staatsbegräbnis beerdigt wird, werden Josy Kontz und andere ehemalige Mitglieder der „Garde grand-ducale“ ihm die letzte Ehre erweisen.