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Ein neues Kapitel: Hans Fellner eröffnet eine neue Buchhandlung

Ein neues Kapitel: Hans Fellner eröffnet eine neue Buchhandlung

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Er ist wieder da. Auf der Suche nach interessanten Inhalten meidet Hans Fellner, der studierte Kunsthistoriker mit Migrationshintergrund, ausgetretene Pfade und gelangt somit an unbekannte Orte. Hin zu spannenden Menschen, die ihre einzigartige Inselbegabung in Buchform teilen. In seiner neuen Buchhandlung findet nun ein großes Wissens-Archipel Platz.

Lesefreudige Forscher haben einen bisher unergründeten Fleck auf der Karte der Stadt Luxemburg entdeckt. Die hauptstädtische rue Louvigny verfügt jetzt neuesten Erkenntnissen zufolge über ein Binnenmeer. Ein Meer aus Büchern. Derart viele, dass noch nicht jedes seinen Platz in den zahlreichen Regalen gefunden hat. Etliche schlummern bisweilen in den gerade angelieferten riesigen Paketen. Mittendrin steht der Buchhändler Hans Fellner. Er droht dennoch nicht darin zu ertrinken. Seine langjährige Erfahrung bringt eine gewisse Gelassenheit mit sich.

«Ich bin auf eine für mich selbst überraschende Weise entspannt und auf eine sehr dezente Art freue ich mich über das, was im Moment passiert.» Dass dieser Satz noch einmal über seine Lippen gehen würde im Zusammenhang mit einem Büchergeschäft, ist keine logische Konsequenz. Nachdem seine Buchhandlung «Fellner Art Books» 2010 gezeichnet von den Nachwehen der Krise sowie einer Dauerbaustelle direkt von der Ladentür beim «Palais» ihre Pforten schloss, hatte er es für sich eigentlich zum Tabu erhoben, nochmals im Einzelhandel tätig zu werden.

In den darauffolgenden Jahren war er vermehrt als freischaffender Kurator und Autor im Kultursektor tätig, jedoch bewogen ihn einige negative Erfahrungen dazu, seinen Entschluss von damals zu überdenken. «Man hat es in diesem Kontext gewissermaßen mit einer falschen Unabhängigkeit zu tun, denn man ist von der Auftragslage abhängig. Als Buchhändler gestaltet sich das anders, wenn auch die Klientel eine essenzielle Rolle spielt. Nichtsdestotrotz hat man mehr selbst in der Hand. Ich empfinde meine jetzige Situation definitiv als größere Freiheit.»

Die Wahrscheinlichkeit, dass der gebürtige Niederländer weit mehr über Luxemburg, seine Geschichte und seine Kultur weiß als so mancher selbst ernannter luxemburgischer Patriot, ist groß. Er besuchte hier nicht nur das Gymnasium, sondern kehrte auch nach seinem Studium sowie vielerlei Erkundungstouren ins Großherzogtum zurück und befand seinen Wissensdurst nicht für gestillt. Er schuf kreativ Abhilfe und so begann eine Recherche, die in einem gewissen Sinn bis heute nicht geendet hat.

Sein vielfältiges Interesse für das Land schlug sich unter anderem in seiner alten Buchhandlung nieder, die neben «Art Books» auch ein Antiquariat beheimatete und eine beeindruckende Luxemburgensia-Sammlung aufwies. Obwohl Fellner nun nicht mehr dieser «archivalen Arbeit», wie er sie bezeichnet, nachgeht, hat er seine alles andere als aufdringliche, aber dennoch konsequente Neugierde behalten und verschafft ihr nun erneut Raum. Seine Rückkehr in vertraute Gefilde bedeutet fortan, dass Popkultur-, Kunst-, Fotografie- und Architektur-Aficionados und jene, die es noch werden wollen, die Möglichkeit haben, unzählige Stunden vor den Regalen zu verbringen.

Das Geschäftsmännische sei definitiv nicht zuvorderst das gewesen, was ihn gereizt habe, betont Hans Fellner: «Ich habe mir diesen Laden zu meiner ’fin de carrière‘ sozusagen selbst geschenkt.» Frei jeglicher Esotherik glaube er an das Medium: «Ich bin noch immer der Überzeugung, dass es unser Hauptmedium für den Transport von Informationen ist. Auch etwas Zweidimensionales hat im Kontrast zu einem Bildschirm etwas Dreidimensionales. Du kannst darin blättern, in einen Raum hineintreten. Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich finde nicht, dass ein Bildschirm das auf vergleichbare Art kann. Diesem fehlt es gewissermaßen an einem derart direkten Weg der Erfahrung.»

Fellner sieht seine Aufgabe als Inhaber einer Buchhandlung nicht darin, von der hohen Kanzel herab zu predigen, was man gelesen haben muss und was nicht. Vielmehr sei es ihm noch immer eine Freude, Menschen bei einer Art innerem Wachsen – ganz unabhängig vom Alter – zu beobachten: «Es gab bereits in der Vergangenheit Personen, die ich begleiten durfte. Diese haben beispielsweise mit Büchern von bekannten Künstlern wie Miro oder Picasso angefangen, obwohl das für Kenner vielleicht altem, kaltem Kaffee gleichkommt. Im Laufe der Jahre kamen sie wieder und ich habe im Gespräch gemerkt, dass sie sozusagen immer wieder ’Upgrades‘ gemacht haben. Nach einiger Zeit standen sie dann auf einmal vor mir und wollten den Documenta-Katalog haben.»

Ladenthekengeflüster

Allgemein gelte, dass die Menschen ihr eigenes Potenzial mitbrächten, «was ich ihnen anbieten kann, ist, sie zu überraschen». Der Überraschungseffekt besteht wohl auch darin, dass man bei Hans Fellner eventuell auf Dinge stoßen kann, von denen man zuvor gar nicht wusste, dass man sie sucht. Oder wie oft haben Sie sich schon auf den Weg gemacht, um bewusst einen schön illustrierten Band über Kakteen, die Kulturgeschichte von Aquarien oder auch die Geschichte der Frisuren von 1940-1960 zu erwerben? Um sich auf Derartiges einlassen zu können, braucht es einen respektvollen Austausch, auf den Hans Fellner besonderen Wert legt: «Das Schöne und Spannende an diesem Beruf ist, dass man mit dem einen Kunden über luxemburgische Stadtplanung, mit dem nächsten über Kinderliteratur und dem übernächsten wieder über was komplett anderes sprechen kann.»

Das gezielte Stranden an diesem kleinen, aber feinen Ort geht mit einer gewissen Nacktheit einher. Denn Fellner hat jedes einzelne Werk, das man hier vorfindet, selbst herausgesucht. Dass er gewissermaßen etwas blankzieht, stört ihn nicht weiter, da er damit nicht allein ist: «Meine Kundschaft steht ebenso nackt vor mir, mit dem, was sie mir dann schlussendlich auf die Ladentheke legt. Aber keine Angst: Es besteht eine gewisse Verschwiegenheitspflicht meinerseits diesbezüglich. Es ist quasi ’donnant-donnant‘.»

Rezent kam es zu einer öffentlichen Auseinandersetzung zwischen der bekannten deutschen Autorin Margarete Stokowski und dem Inhaber einer Buchhandlung in München. Stokowski hatte sich geweigert, in seinem Geschäft eine Lesung abzuhalten, nachdem sie erfuhr, dass der Buchhändler auch rechte Literatur in seinen Regalen präsentiert. Dieser vertritt jedoch den Standpunkt, man müsse die Argumente von Rechten kennen, um sie sinnvoll widerlegen zu können. Obwohl Fellner keine derartigen Werke führt, fühlt er sich nicht zu einer politischen Überkorrektheit verpflichtet: «Ich halte es durchaus für wichtig, sich auch mal an solchen Dingen zu reiben und sich ehrlich zu fragen, was man damit zu tun haben könnte.» Es habe etwas von einer ehrlichen Recherche in Bezug auf die eigene Person.

Hans Fellner (sowie seiner potenziellen Kundschaft) stehen nun also spannende Zeiten bevor. Angst hat er scheinbar keine: «Mein Grundoptimismus sagt mir, dass das funktionieren wird.» Er habe die Fähigkeit, sich für Dinge zu begeistern, und freue sich nun darauf, diese weiterzugeben.

 


 

Platz für Kunst – Nation Branding muss jedoch draußen bleiben

Entgegen der luxemburgischen Tradition wird in Hans Fellners Buchhandlung die Kunst weder in die Rumpelkammer noch in die Vitrine verfrachtet. Er möchte ihr einen Platz für eine ehrliche und professionelle Auseinandersetzung geben.

Auf zwei Ebenen innerhalb seines Geschäfts entsteht demnach derzeit eine Art Showroom, der für Ausstellungen genutzt werden wird. Größenwahn steht hier eher nicht auf der Tagesordnung: «Ich sehe das Ganze sehr unaufgeregt. Es wird etwas von einer sozialen Aktion haben und quasi nach dem Bottom-up-Prinzip funktionieren.»

Er plane, Künstler aus Luxemburg zu begleiten, nicht aber im herkömmlichen Sinne einer Galerie. Es gehe nicht darum, Newcomer aufzubauen. Fellner sagt von sich selbst, er funktioniere eher intergenerationell: «Wir haben einige etwas ältere Künstler, die sehr gut sind, aber nicht immer ’en valeur‘ gesetzt werden, und es gibt talentierte junge Künstler, mit denen sich gut zusammenarbeiten lässt.»

Obwohl Fellner dabei aus Kontakten schöpft, die über Jahre durch seine Präsenz in der Kulturszene entstanden, riskiert er seiner Auffassung nach keine «inzestuöse Binnenschau», so seine Worte. Er verfahre vielmehr nach der «Support your local artist»-Attitüde. Die erste Gruppenausstellung wird sich übrigens um Luxemburg im künstlerischen Zusammenhang mit Japan drehen. Kunstschaffende, die bereits dort gearbeitet und gelebt haben, werden im Fokus stehen. Mehr dazu erfahren Sie zeitnah im Tageblatt.