Durch Glyphosat an Krebs erkrankt? Ein Luxemburger kämpft vor Gericht

Durch Glyphosat an Krebs erkrankt? Ein Luxemburger kämpft vor Gericht

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Von Beruf ist Claude Lammar, der seit 1985 in Rambrouch lebt, Landschaftsgärtner. Oder war es vielmehr: «Nach 52 Wochen Krankmeldung hat mein Arbeitgeber mich rausgeworfen!» Dabei war es – da ist sich Claude Lammar sicher – gerade seine Arbeit, die ihn krank gemacht hat. Und zwar der kontinuierliche, massive Einsatz u.a. des Unkrautvernichters Roundup, der das vermutlich krebserregende Gift Glyphosat enthält.

Von François Besch (Texte und Fotos)

Rund zwei Jahrzehnte lang war Claude Lammar für den «Fonds Kirchberg» tätig. «Im März 2014 warf mich mein Arbeitgeber regelrecht raus, verlangte gar, dass ich die drei letzten Gehälter zurückzahlen solle. Normalerweise nimmt man staatliche Arbeiter, die aufgrund ihrer Krankheit ihren bisherigen Job nicht mehr ausüben können, in die ‹Cellule de reclassement› auf. Doch mich hat man einfach so entlassen.»

Claude Lammar ist ein Kämpfer. Sonst hätte er wohl auch den Kampf gegen den Krebs nicht gewonnen, der 2013 bei ihm festgestellt worden war und der schlussendlich zu der Entlassung geführt hatte. Zwar hat der «Fonds Kirchberg» schließlich auf die Gehälterrückzahlung verzichtet, doch damit wollte und will sich Claude Lammar nicht zufriedengeben und zog vor Gericht (siehe auch unten stehenden Beitrag zu den bereits erfolgten und noch anhänglichen Verfahren).

Ein Rückblick: Claude Lammar musste als Arbeiter beim «Fonds Kirchberg» regelmäßig und laut eigener Aussage «massiv» mit Unkrautvernichtern arbeiten. Darunter auch mit dem Produkt Roundup, das bereits seit Jahren in der Kritik steht. «Unser Vorgesetzter verlangte sogar, dass wir die doppelte Menge des Giftes einzusetzen, damit dem Unkraut rascher zu Leibe gerückt werden könne», betont Lammar in unserem Gespräch, «und Schutzkleidung gab es für uns keine!»

Als er 2013 mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat und einen Urologen aufsucht, diagnostiziert dieser bei ihm eine aggressive Krebsform. Dabei handelte es sich um eine Art, die eigentlich nur bei Jugendlichen vorkommt. «In meinem Alter könne so ein Krebs lediglich durch äußere Umstände, wie dem Umgang mit Chemikalien, ausgelöst werden, hatte der Arzt erklärt.» Claude Lammar zählte eins und eins zusammen und schlussfolgerte, dass seine Krankheit auf den exzessiven Gebrauch der chemischen Unkrautvernichter zurückzuführen sein muss. Vor einem Monat berichtete ein Radiosender über seinen Fall.

Der «Fonds Kirchberg» wies daraufhin jede Verantwortung zurück. In einer Mitteilung heißt es u.a., dass man beim Fonds seit 2008 auf jeden Einsatz von Herbiziden verzichte. Auch wird betont, dass man nicht gegen das Arbeitsrecht verstoßen habe. Der Erkrankte sieht das anders und hält die Klagen gegen seinen einstigen Arbeitgeber wie auch gegen den Roundup-Produzenten aufrecht. Das rezente Urteil in den USA (siehe Kasten) dürfte neuen Schwung in die Angelegenheit bringen.


Historisches Urteil

Am 10. August fällte ein kalifornisches Geschworenengericht ein Urteil, das weltweit aufhorchen ließ: Dem 46 Jahre alten, schwer an Lymphdrüsenkrebs erkrankten  Dewayne Johnson wurde eine Entschädigung in Höhe von umgerechnet 254 Millionen Euro zugesprochen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Erkrankung des Mannes auf das Monsanto-Produkt Roundup zurückzuführen ist.

Das zur Bayer-Gruppe gehörende Unternehmen streitet einen Zusammenhang zwischen Krebs und seinen Produkten ab. Das Gericht sah die Sache anders und befand, dass das Unternehmen mit Vorsatz gehandelt habe, weil es nicht auf die mögliche Gesundheitsgefährdung durch Roundup hingewiesen hatte und daher bestraft werden müsse.

Das Urteil dürfte richtungsweisend sein: Allein in den USA sind weitere 4.000 Klagen gegen das Chemieunternehmen anhängig.


Stichwort: Glyphosat

Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate. Es ist die biologisch wirksame Hauptkomponente einiger Breitband- bzw. Totalherbizide und wurde seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre von Monsanto als Wirkstoff unter dem Namen Roundup zur Unkrautbekämpfung auf den Markt gebracht. Weltweit ist es seit Jahren der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden. Glyphosatprodukte werden mittlerweile von mehr als 40 Herstellern vertrieben.

Glyphosat wird in Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaushalten eingesetzt. Es wirkt nicht-selektiv gegen Pflanzen, dies bedeutet, dass alle damit behandelten Pflanzen absterben.

«Wahrscheinlich krebserregend»

Ausgehend von Medienberichten und einigen kontrovers diskutierten Studien über mögliche Gesundheitsgefahren von Glyphosat hat sich seit Jahren eine intensive öffentliche und wissenschaftliche Debatte entwickelt. Ab 2015 verschärfte sich die Diskussion zusehends. Eine europäische Bürgerinitiative forderte mit fast 1,1 Millionen gültigen Unterschriften das Verbot von Glyphosat. Anlass dafür war die Bewertung als «wahrscheinlich krebserregend» für den Menschen von der Internationalen Agentur für Krebsforschung.
(Quelle: Wikipedia)


Me Jean-Jacques Schonckert: «Untersuchung läuft seit drei Jahren!»

Der Fall des Claude Lammar beschäftigt die Gerichte in Luxemburg schon seit rund drei Jahren. Wobei man das Wort «beschäftigen» nicht allzu wörtlich nehmen darf, glaubt man den Aussagen seines Verteidigers Me Jean-Jacques Schonckert. Dies gilt hauptsächlich für den strafrechtlichen Teil des Ganzen, der eine Klage gegen den Arbeitgeber und die Roundup-Produktionsfirma umfasst.

«Der Untersuchungsrichter ist schon seit drei Jahren mit dem Dossier befasst, leider sind wir damit aber bis heute noch kein Stück vorangekommen», so der Anwalt, der sich u.a. von dem nun in den USA gesprochenen Urteil erwartet, dass es zur Beschleunigung des Untersuchungsverfahrens und schlussendlich zu einer öffentlichen Anklage kommen wird. «Neben diesem Urteil spielt noch eine wichtige Entscheidung der ‹Assurance accident› diesbezüglich eine nicht zu unterschätzende Rolle», erklärte der Anwalt uns gegenüber. Diese habe ihm vor wenigen Tagen schriftlich mitgeteilt, dass sie bereit sei, Lammars Erkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen.

Dies dürfte nicht nur beim mit dem strafrechtlichen Teil befassten Untersuchungsrichter auf reges Interesse gestoßen sein. Unter den beiden zivilrechtlichen Klagen, die Lammar ebenfalls angestrengt hat, befindet sich auch eine solche gegen die «Assurance accident» . «In erster Instanz hatten wir diesen Prozess verloren, das Urteil in zweiter Instanz steht noch aus. Wie das Gericht letztendlich entscheiden wird, wissen wir nicht, doch wenn die Versicherung nun schon selbst von Berufskrankheit spricht …»

Kommt es zum Strafprozess?

Ein weiteres zivilrechtliches Verfahren betraf die Entlassung seines Mandanten aufgrund der Krankheitsperiode. In erster Instanz erhielt Claude Lammar recht, in zweiter Instanz allerdings unrecht. Allerdings wurde ihm moralischer Schadensersatz zugesprochen, da der Arbeitgeber es versäumt hatte, den Kläger innerhalb der Krankheitsperiode intern oder extern zu reklassieren.

Für die Allgemeinheit am interessantesten wird aber sicherlich das weitere Vorgehen in Sachen strafrechtlichem Prozess sein. Kommt es zu einem solchen? Das liegt allein in den Händen des Untersuchungsrichters, der, obwohl schon seit drei Jahren damit befasst, noch keine Fortschritte zu vermelden hat. «Es handelt sich um eine komplexe und mit viel Arbeit verbundene Affäre», so der Anwalt. Aufgeben werde man jedoch nicht.

Nomi
12. Oktober 2018 - 11.38

Schons 3 Johr un engem Ee schi'elen, an et bleift nach emmer een Ee !

Laird Glenmore
12. Oktober 2018 - 11.16

Die Grünen könnten doch eine kleine Spendenaktion Die Grünen sind wie die r.k. Kirche nach außen tun sie so als wenn sie sich für die Menschen einsetzen und in Wirklichkeit kümmern sie sich nur um ihre eigenen Belange. Selbstverständlich wird es im Sande verlaufen und / oder am Geld scheitern, warum wurde es denn jetzt schon drei Jahre lang verzögert um Claude Lammar mürbe zu machen und ihn zum Aufgeben zu bewegen, alles nur hin halte Taktik, für mich ein ganz mieses Verhalten gegenüber Angestellten.

Grober J-P.
12. Oktober 2018 - 10.34

Respekt, hoffentlich scheitert das nicht wieder an Geldmangel! Die Grünen könnten doch eine kleine Spendenaktion ankurbeln.

Laird Glenmore
12. Oktober 2018 - 10.30

es ist schon traurig wenn man diesen Artikel liest wie die luxemburger Justiz mit dem Leid und Leben von Menschen umgeht, wenn es ein Mitarbeiter von der Regierung wäre hätte man schon lange ein Urteil gesprochen das hinterläßt bei mir den faden Beigeschmack einer Zweiklassen Gesellschaft. Ich hoffe das Claude Lammar recht bekommt und man den Leuten zeigt das sie so nicht mit ihren Mitarbeitern umgehen können. Bonne Chance.

Le républicain
11. Oktober 2018 - 23.58

Die luxemburger Justiz wird den Fall doch wahrscheinlich einfach versanden lassen....kein Untersuchungsrichter l in Luxemburg hat den Mumm wie die Justiz in den USA ......