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Die steinerne Seite der Macht: Ausstellung erforscht Burgen und Festungen in der Großregion

Die steinerne Seite der Macht: Ausstellung erforscht Burgen und Festungen in der Großregion

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1.000 Jahre Geschichte monumentaler Repräsentationen von Macht und Herrschaft müssen nicht faktenschwer, sondern können auch unterhaltsam und abwechslungsreich daherkommen. Das Historische Museum Saar ermöglicht den Besuchern gemeinsam mit Forschern und Partnern aus der Großregion unter Einbeziehung von Originalschauplätzen auf drei Ebenen und einer Fläche von 1.300 Quadratmetern diese Zeitreise.

Von Martina Kaub

Die Ausstellung:

Steinerne Macht – Burgen, Festungen, Schlösser in Lothringen, Luxemburg und im Saarland

Historisches Museum Saar, Schlossplatz, Saarbrücken

Bis zum 23.6.2019

Der Ausstellungsort steht auf geschichtsträchtigem Boden. Unter dem Schlossplatz, in 14 Metern Tiefe, ruhen die Vorgängerbauten des Saarbrücker Schlosses: Ruinen einer unterirdischen mittelalterlichen Burganlage mit Schießkammer und Wehranlagen, Kasematten aus der Renaissance, ein im Burggraben errichtetes Ballhaus für das beliebte Paille-Maille aus dem 17. und ein Verlies aus dem 18. Jahrhundert.

An diesen Originalschauplätzen lässt sich die baugeschichtliche Entwicklung bis zum Barockschloss anschaulich nachvollziehen, unterstützt durch abrufbare Informationen zu den Themen Burg, Bastion, Festung, Belagerung, Angriff und Verteidigung sowie Baumeister. Videoaufnahmen zeigen für die Öffentlichkeit unzugängliche Räume und Gänge im Schlossfelsen. Von den ehemals mehr als 200 Standorten von Burgen, Festungen und Schlössern in der Saar-Lor-Lux-Region sind heute nur noch wenige gut erhaltene zu besichtigen.

Herrschaftliche Bauwerke

Die Sonderausstellung knüpft an internationalen Forschungsergebnissen zum Wehr- und Residenzbau an und eine Auswahl imposanter Macht- und Herrschaftszentren, deren architektonische Formen sich an den jeweiligen politischen Verhältnissen und Herausforderungen eines definierten geografischen Raums orientierten. So korrespondiert die Epoche der Romanik in Westeuropa mit dem Feudalismus als sozialökonomischer Gesellschaftsformation, gekennzeichnet durch Lehnswesen und Grundherrschaft. Die Großregion war in weltliche und kirchliche Feudalbesitztümer zersplittert. Um diese gegen Invasoren zu verteidigen oder Gebietsansprüche zu bekunden, war der Bautypus der stark befestigten Burg am besten geeignet.

Zunächst als hölzerne Befestigungsanlage etwa auf einem Römischen Kastell entstanden, wandelte sich diese zur steinernen Burg, die nicht selten über die Jahrhunderte durch Um-, Neu- und Erweiterungsbauten den Übergang zum Schloss vollzog. Die Höhenburg Bourscheid, mit einer Fläche von rund 12.000 Quadratmetern die größte Anlage in Luxemburg, steht für eine solche Entwicklung. Strategisch gut positioniert, von einer starken Ringmauer mit Zwingern und in der späteren Bauphase mit zahlreichen Geschütztürmen ausgestattet, war sie lange Wohnsitz der einflussreichen Ritterfamilie derer von Bourscheid, treue Lehnsleute des Herzogs von Luxemburg.

Fotorealistische Computer-Rekonstruktionen

Weitere herausragende Beispiele sind die restaurierten Burgen Vianden und Malbrouck in Manderen (Lothringen). Großformatige fotorealistische Computer-Rekonstruktionen vermitteln einen visuellen Eindruck von der Baugestalt heute kaum noch erhaltener Anlagen, ihrer Ausdehnung in die Fläche und Einbettung in die Landschaft: Burg Montclair und Schloss Karlsberg im Saarland oder das Renaissance-Schloss Mansfeld („La Fontaine“) in Luxemburg rufen angesichts ihres einstigen Formenreichtums Staunen hervor.

Historische Architekturzeichnungen von Baumeistern wie Sébastien Le Prestre de Vauban (1633-1707) und Stadtpläne ermöglichen die vertiefte Betrachtung eines Objekts, Gemälde und Kupferstiche die Begegnung mit dynastischen Linien der Großregion, Festungsbauten und kriegerischen Auseinandersetzungen wie etwa anlässlich der Belagerung Luxemburgs 1684.

Maskenball oder Bautrupp?

Ansatzweise ist das soziale Gefälle dieser Epochen reflektiert. Eine Baurechnung der Burg Nohfelden (Saarland) von 1480 belegt den Verzehr von 61.500 Broten, während man an einer Hörstation von der „heiteren Konversation“ und einem „prächtigen Maskenball“ im Saarbrücker Schloss aus den Briefen einer Baronesse erfährt. Sichtbarer Ausdruck von Wohlstand und Glanz der Fürstentümer sind eine feuervergoldete Stutzuhr (Paris, um 1780), Geschirr aus Porzellan, Wein- und Messkelche, Spielzeug sowie Ölgemälde.
Die Kopie der Platte eines Minnekästchens aus dem 14. Jahrhundert, Minnegabe des Bräutigams an die Braut, zeigt die Belagerung und Erstürmung einer Minneburg.

elbstverständlich findet sich eine große Zahl an Originalexponaten – gelegentlich Nachbauten – rund um die Themen Ritter, Militär und höfisches Jagdvergnügen: Rüstungen, Beckenhauben, Waffen wie ein Eisenschwert und eine Steinschlosspistole, eine Waidpraxe und – als vermutlich unverzichtbares Begleit-Utensil für alle – eine Flohfalle.
Für diese Ausstellung sollten die Besucher viel Zeit mitbringen. Das die verschiedenen Themen und Objekte ergänzende multimediale Angebot trägt wesentlich zur Veranschaulichung der baugeschichtlichen und politischen Entwicklung der Großregion bei. Für Kinder werden außerdem unterhaltsame „Ritterführungen“ angeboten.