Die stählerne Lady: Danielle Igniti geht in den Un-Ruhestand

Die stählerne Lady: Danielle Igniti geht in den Un-Ruhestand

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Mit Margaret Thatcher hat die Düdelinger Kulturschaffende Danielle Igniti glücklicherweise weder die Frisur noch die politische Orientierung gemein. Es verbindet die zwei Frauen jedoch mehr, als man annehmen könnte: Sie wurden in Industriestädten geboren, und zwar nicht mit dem goldenen Löffel im Mund, kämpften sich in Führungspositionen und vergaßen dennoch nie, wo sie herkommen. Außerdem werden die Amtszeiten beider sowohl ihren Fürsprechern als auch den Kritikern noch sehr lange im Gedächtnis bleiben.

Die rue du Centenaire sowie der sie säumende moderne Betonklotz, der neben dem CNA ein Kino, die Musikschule, die Büros und nicht zuletzt auch den Konzertsaal von „opderschmelz“ beherbergt, sind alles andere als unscheinbar. Ähnlich verhält es sich mit der kleinen, aber keineswegs zurückhaltenden Mitte 60-jährigen Danielle Igniti, die nicht gerade dafür bekannt ist, ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Zu Beginn des Gesprächs zündet sie dementsprechend nicht wie Claude Wiseler vor kurzem bei einem Tageblatt-Interview eine Kerze, sondern eine Zigarette an.

Der ein oder andere wird sich hierbei wohl an ein Foto erinnert fühlen, das sie eine Weile als Facebook-Profilbild nutzte. Darauf ist Igniti als junge Studentin mit einer angezündeten Kippe im Mundwinkel zu sehen. Über ihr ein Schild mit der Aufschrift: „Défense de fumer“. Auf benanntem sozialem Netzwerk nutzt sie das Pseudonym „Ods (steht für opderschmelz) queen“, welches direkt an die Onlinepräsenz ihres Kulturzentrums gekoppelt ist. Auf den monarchistischen Grundton des selbst erteilten Adelstitels und eventuelle Parallelen zu ihrem eigenen Führungsstil angesprochen, verweist Igniti auf die Beschaffenheit des monarchischen Systems im Großherzogtum. Wie diesem wohne auch ihrem Namen etwas Ironisches inne. Man habe es quasi auf beiden Seiten weniger mit wahrhaftiger Macht als vielmehr mit einer repräsentativen Funktion zu tun. „Als ich mein Facebook-Profil erstellte, wuchs der Verwaltungsrat des Mudam zudem um eine Prinzessin, da hat’s auch noch vom Timing her gepasst“, fügt sie mit einem schelmischen Grinsen hinzu.

Not everbody’s darling

Es sei im Team gearbeitet worden, und Regeln, die sie eingeführt habe, hätten natürlich auch für sie selbst gegolten, betont die langjährige Hausherrin von „opderschmelz“. „Alleingänge bringen herzlich wenig und stellen ein No-Go dar“, heißt es weiter. Sie habe in der Gemeinde-Institution also genau gegenteilig zu eben jenem Herrscher(innen)-Titel gewaltet. Diesbezüglich sind sich Personen in ihrem näheren sowie dem weiteren Arbeitsumfeld nicht unbedingt einig. Während die einen ihr mangelnde diplomatische Fähigkeiten vorwerfen, betrauern andere ihren Fortgang und stellen die Inthronisierung von Ignitis Nachfolger, John Rech, infrage. So oder so herrscht aber ein Konsens in Bezug auf ihr ungebrochenes Engagement für die Kunst und die Kultur auf lokaler, regionaler wie nationaler Ebene. Everbody’s darling zu sein, hatte sie sich ohnehin nicht auf die Fahnen geschrieben, den Einsatz für die Kulturszene hingegen schon.

Auf ihrer Abschiedsfeier vor wenigen Wochen erzählte Igniti – nicht ohne Selbstironie – vor den geladenen Gästen von einer Diskussion mit einem (nicht näher benannten) ehemaligen Düdelinger Bürgermeister. Er habe sie angeschrien mit den Worten: „Es ist nicht dein Kulturzentrum!“ Worauf sie lautstark erwidert habe: „Das ist es sehr wohl!“ Wer Ignitis Arbeit über die Jahre verfolgt hat, weiß, dass diese Aussage nicht einer rein besitzergreifenden Haltung entspringt, sondern damit zusammenhängt, wie ernst Igniti den Auftrag als „service public“ und die Menschen, mit denen sie arbeitet, nimmt.

Die gebürtige Düdelingerin ist sich wohl bewusst, dass man Nerven aus Stahl braucht, um mit ihr zu arbeiten. Dass sie selbst welche hat, stellte sie über viele Jahrzehnte unter Beweis. Gegenüber dem Tageblatt erklärt sie: „Das hier ist definitiv mehr als nur ein Job. Irgendwann kannst du nicht mehr genau definieren, ob du gerade als Privatperson oder professionell unterwegs bist.“ Es komme einem fast heiligen Amt gleich, das man nur mit wirklicher Hingabe erfüllen könne, beschreibt die sonst alles andere als gottesfürchtige Frau ihre Aufgabe. Das könne man nicht einfach nach Feierabend oder in der Freizeit abstreifen.

Davon kann ihr langjähriger Partner Charles ein Liedchen singen. Oder besser gesagt: In diesem Kontext hat er stets sein eigenes Süppchen gekocht. Die sogenannte „soupe à Charly“ genießt vor allem unter internationalen Jazzkünstlern einen hohen Bekanntheitsgrad. Diese hausgemachte Mahlzeit stellte lange einen unabdingbaren Bestandteil auf dem Buffet im Backstage von „opderschmelz“ dar. Ein japanischer Musiker habe ihm einmal erzählt, er sei eigentlich nur wegen der Suppe angereist, sagt Ignitis Ehemann nicht ohne Stolz, aber auch mit einer kräftigen Portion Humor.

Letztere hat dem freiwillig gezwungenen Kultur-Aficionado sicherlich ab und an geholfen im vergangenen Jahrzehnt, wenn beispielsweise im Urlaub das Telefon seiner Frau mal wieder mitten in der Nacht klingelte, weil bei der Agentur eines hochrangigen Künstlers auf der anderen Seite der Welt nunmal gerade Frühstückszeit war. Man könnte gewissermaßen sagen, dass das Paar sich immerfort in einer respektvollen wie leidenschaftlichen Dreiecksbeziehung mit der Kunst befand.

Spiel mir das Lied vom Ego-Tod

Obwohl zahlreiche Personen und Persönlichkeiten „opderschmelz“ seit Jahren am Laufen halten, nimmt man Danielle Igniti in der Öffentlichkeit als das Gesicht der Düdelinger Kulturinstitution wahr. Gäste wie Künstler suchen automatisch nach einem bestimmten Ansprechpartner und Medien tragen ihren Teil dazu bei, dass es nach außen hin manchmal so wirkt, als würde die kulturelle Festung nur von einem einzigen Menschen besetzt.

„Ab dem 1. März werde ich auf gewisse Art und Weise zum Nobody, und dann wird das ohnehin abnehmen, denke ich. Ich bin mir durchaus bewusst, dass der ein oder andere mir gerne das Mikro unter die Nase hielt, weil er oder sie wusste, dass was kommt“, erläutert Igniti die Situation auf die Frage hin, wie es sei, mit einer gewissen Regelmäßigkeit zum Sprachrohr umfunktioniert zu werden. „Ich habe das zwar nie gezielt gesucht, aber ehrlich gesagt auch nicht vollends abgewehrt“, gibt sie zu. „Ich kann mir vorstellen, dass man als Journalist auch schlicht und ergreifend manchmal einfach ,d’Flemm kritt‘, wenn man sich dem immergleichen Einheitsbrei und übermäßiger politischer Korrektheit gegenübersieht. Meine Meinung frei heraus zu sagen, ist Teil meiner DNA, das wird sich so oder so auch mit der Rente nicht ändern.“

Igniti war sich der Gefahr, die der starke Fokus auf die eigene Person birgt, eigenen Aussagen zufolge stets bewusst: „Das mit dem Ego ist ein permanenter Kampf. Man muss mit den Füßen auf dem Boden bleiben, sich in Frage stellen und nicht der Annahme anheimfallen, man sei ein Held. Sogar wenn es wirklich gut läuft. Andererseits braucht man eine starke Persönlichkeit und Selbstvertrauen, um solch eine Arbeit überhaupt bestreiten zu können und sich etwas zu trauen.“

In der Folge beschreibt sie Phasen in der Entwicklung des „Like a Jazz Machine Festival“, das mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinaus Rang und Namen hat. Diese Veranstaltung begann als gewagtes Projekt an einem Ort, der bei aller Liebe im internationalen Vergleich wahrlich als „Kaff“ gelten muss. „Wenn du dann Größen der Musikszene anschreibst und fragst, ob sie in einem verhältnismäßig sehr kleinen Kulturzentrum spielen wollen, dann holst du erst mal sehr tief Luft, bevor du die Mail abschickst.“ Auf dem Gesicht der sonst so selbstbewussten Frau zeichnet sich jene Aufregung der Anfangsjahre erneut ab, die sie wieder zu durchleben scheint, während sie die damalige Millisekunden des Zögerns schildert. Vor allem sieht man ihr an, dass die beschriebene Zurückhaltung einen ganz bestimmten Grund hatte, nämlich den unbändigen Respekt vor engagierten und talentierten Künstlern, den Igniti bis heute vielen internationalen wie auch luxemburgischen Kunstschaffenden entgegenbringt. Wenn sie zu oft zu sehr gezögert hätte in all den Jahren, dann wäre Luxemburg heute definitiv um einen mittlerweile sehr wichtigen Spot ärmer.

Think local, act global

Danielle Igniti machte nie einen Hehl daraus, dass die Hoppen Théids dieser Welt bei ihr nicht willkommen sind. Statt populäre Künstler zu buchen, entschied sie sich dafür, ihr eigenes Ding zu machen. Wenn man eine Institution aufbauen solle, so wie es vor mehr als zehn Jahren ihr Auftrag war, dann färbe der eigene Geschmack automatisch ab, gesteht Igniti. Dies helfe aber auch dabei, hauseigene Nischen zu entwickeln und ein Kulturhaus in einer weder privilegierten noch auf Anhieb touristisch attraktiven Gegend des Landes auf die internationale kulturelle Landkarte zu setzen. Zu zeigen, dass auch solch ein Ort zu einer Stadt der Kulturen werden kann. „Das ist etwas, was Esch bisher noch nicht geschafft hat“, merkt Danielle Igniti an und fügt etwas neckisch hinzu: „Aber das kann ja vielleicht noch kommen.“

Dennoch hilft es recht wenig, dass man „opderschmelz“ in Paris, Metz und Nancy kennt, wenn der Arbeiter von nebenan trotzdem noch immer keinen Fuß in das Düdelinger Kulturzentrum setzt, oder? Hier antwortet sie prompt und ehrlich: „Das ist definitiv eine Schwäche. Wir haben mit vielen anderen regionalen Häusern gemein, dass wir noch immer um Publikum ringen.“ Sie betont diesbezüglich aber auch, dass es Geld und Unterstützung bedürfe, um vor allem lokales Publikum dort abzuholen, wo es steht. Für eine erfolgreiche „Médiation culturelle“ brauche es nicht nur guten Willen, sondern auch Zeit, die nötige Kompetenz und vor allem finanzielle Mittel. Nichtsdestotrotz sei das Jazz-Publikum gewachsen und mittlerweile träfe man immer

mehr junge Menschen auf diesen Konzerten in Düdelingen an. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass häufig junge luxemburgische Musiker dort auf der Bühne stehen, die sich unter anderem durch das Residenz-System von „opderschmelz“ professionalisieren konnten. Dazu gehören unter anderem Pit Dahm, Pol Belardi, Marly Marques oder auch Michel Meis, um nur einige zu nennen.

In Bezug auf das Programm sei es ihr stets sehr wichtig gewesen, eine sinnvolle und professionelle Wahl zu treffen. Die für Luxemburg typische Vetternwirtschaft ist ihr absolut zuwider. „Diese permanente Vermischung trägt nur dazu bei, dass die hiesige Kultur unnötig kaputtgeht.“ Als Leiterin einer Kulturstätte sei man dem Publikum und nicht jedweden Freunden gegenüber verpflichtet.

Kein Lebewohl, sondern ein Auf Wiedersehen

Ihr letzter Akt dreht sich um das Erstellen und Digitalisieren des Inventars der Kunstkollektion, die der Stadt Düdelingen gehört. Diese sei beeindruckend und es liege ihr am Herzen, dass man sie auch online einsehen könne. Dass Igniti aber auch danach nicht an Unterbeschäftigung leiden wird, zeigt ihre rezent verkündete Mitgliedschaft im Focuna und im Verwaltungsrat des Mudam. Auch wird sie weiterhin „cartes blanches“ für radio 100,7 aufnehmen und eventuell sogar in neuer Funktion über die Bildschirme des Landes huschen.

Die Entscheidung, ihr Amt niederzulegen, fällte Igniti selbst. Im Gespräch gibt sie ehrlich zu, dass es sie tief verletzt hätte, wenn jemand gesagt hätte, dass sie gehen muss, bevor sie ihrer Auffassung nach ihren Auftrag erfüllt hat. Andererseits ist es ihr nun aber auch wichtig, sich ab ihrem letzten Arbeitstag definitiv aus dem Geschehen im Kulturzentrum sowie den angeschlossenen Galerien rauszuhalten. „Meinen Nachfolgern erlaubt das, mit einem freieren Kopf zu arbeiten. Das ist besser, als wenn man jemand Altes da sitzen hat, der immer alles besser weiß“, schließt Danielle Igniti das Gespräch mit der Gewissheit ab, dass Lieben auch Loslassen heißt.

roger wohlfart
28. Februar 2019 - 12.19

Wenn Frau Igniti in einem Recht hat, dann mit der Feststellung, dass Lieben nicht nur auch, sondern überhaupt und immer Loslassen heisst. Auf jeden Fall ist sie eine prima Selbstdarstellerin, die sich vorzüglich in Szene zu setzen versteht.