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Die Chronologie einer (un)endlichen Geschichte: Wie geht es weiter mit dem Cactus Lallingen?

Die Chronologie einer (un)endlichen Geschichte: Wie geht es weiter mit dem Cactus Lallingen?

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Vor genau zehn Jahren, am 31. Januar 2009, wurde der Cactus Hobbi in Lallingen geschlossen. Nur sechs Wochen später begannen die Abrissarbeiten. Bereits im Oktober 2007 hatte der Generaldirektor der Cactus-Gruppe, Laurent Schonckert, die Errichtung eines Einkaufszentrums mit 50 Geschäften und 2.000 Parkplätzen angekündigt. Aus unterschiedlichen Gründen wurde das Projekt immer wieder verschoben. In diesem Jahr sollen aber nun definitiv die Bagger rollen. Das sagt zumindest die Stadt Esch. Die Cactus-Direktion will sich zurzeit nicht zum Thema äußern.

„Esch hat den größten Supermarkt des Landes“, titelte das Tageblatt am 7. Juni 1972, einen Tag nach der feierlichen Eröffnung des Escher Cactus in der rue de Mondercange (der kleinere Cactus am Brillplatz war bereits 1968 entstanden). 15.000 verschiedene Artikel auf 2.300 Quadratmetern Gesamtfläche und 170 Parkplätze sollten die Ansprüche der Kunden aus dem Süden Luxemburgs erfüllen.

Doch bereits bei der Eröffnung war dem anonymen Verfasser des Artikels klar, dass dieser Supermarkt nur eine „Zwischenstufe auf dem Weg zum Hypermarkt und dem Einkaufszentrum großen Stils“ sei. Cactus-Besitzer Paul Leesch hatte in seiner Einweihungsrede angekündigt, dass man in Strassen bald ein riesiges, 8.000 Quadratmeter großes Einkaufszentrum errichten werde. Und tatsächlich eröffnete Cactus nur zwei Jahre später, am 3. Juli 1974, die „Belle Etoile“, die alles bis dahin Gesehene in den Schatten stellte.

Am 31. Januar 2009 wurde der Cactus Hobbi in Lallingen geschlossen

In Esch sollte es über 20 Jahre dauern, bis Cactus sich merklich vergrößerte. Am 24. Januar 1995 wurde auf dem ehemaligen Fußballgelände der US Esch „am Päerchen“ in der rue de Luxembourg ein neues Cactus-Geschäft seiner Bestimmung übergeben. Mit 6.000 Quadratmetern Gesamtfläche ist dieser Supermarkt drei Mal größer als der „alte“ und trägt mit 600 Parkplätzen auch dem wachsenden Fuhrpark der Luxemburger Rechnung. Bei der Eröffnung führte die „Escher Liewensfrou“ einen Sketch auf und die „Chorale Uelzecht“ sang ein Lied.

„Supermarkt der neuesten Generation“

Nach dem Umzug des Lallinger Supermarkts in die rue de Luxembourg zog ein Cactus Hobbi in das Gebäude „op der Haart“ in der rue de Monnerich. Am 26. April 1995 öffnete der Baumarkt seine Türen. 14 Jahre blieb er an dieser Stelle. Dann war Schluss. Die Cactus-Gruppe hatte andere Pläne. 40 Jahre nach der Eröffnung des allerersten Cactus-Geschäfts in Bereldingen kündigte Generaldirektor Laurent Schonckert im Herbst 2007 sechs neue Projekte an. Eines davon war ein neues Einkaufszentrum in Esch-Lallingen mit 35.000 Quadratmetern Bruttofläche, rund 50 Geschäften und 2.000 Parkplätzen. Ein „Supermarkt der neuesten Generation“ sollte es werden. Mit den Arbeiten solle im Frühjahr 2008 begonnen werden, erklärte Schonckert damals in einem Tageblatt-Interview.

Mitte März 2009 wurde das Gebäude anschließend abgerissen

Geschlossen wurde der Lallinger Baumarkt aber erst am 31. Januar 2009, sechs Wochen später begannen die Abrissarbeiten. Seitdem liegt das Gelände brach. Schon bevor das neue Einkaufszentrum am 26. März 2009 auf einer Bürgerversammlung im Lallinger Theaterzelt (das Stadttheater war wegen Renovierung geschlossen) vorgestellt wurde, machten sich die Anwohner Gedanken über den zusätzlichen Verkehr. Auf der offiziellen Präsentation ging von einem Supermarkt samt Einkaufsgalerie mit rund 60 Läden und unterirdischem Parkhaus mit 2.600 Stellplätzen die Rede. Ein Fitnesszentrum, Restaurants, ein Bistro, eine Kindertagesstätte, eine Postzweigstelle und eine Bankfiliale sollten das Angebot erweitern.

Neben dem Einkaufszentrum waren drei Residenzen mit insgesamt 25 Wohnungen geplant. 100 Millionen Euro wollte die Cactus-Gruppe in Esch investieren und 500 neue Arbeitsplätze schaffen. 2011 sollte das Einkaufszentrum eröffnen. Um die Lebensqualität der Anwohner so wenig wie möglich zu beeinträchtigen, sollte die Warenlieferungen unterirdisch erfolgen. Das Verkehrsproblem an der großen Kreuzung sollte mit einem ovalen Kreisverkehr gelöst werden. Wie das Tageblatt damals berichtete, sprachen sich die Lallinger mehrheitlich für das Projekt aus, auch wenn einige kritische Stimmen und offene Fragen nicht ausblieben.

Einspruch vor dem Verwaltungsgericht

Nur zwei Wochen nach der Bürgerversammlung stimmte der Escher Gemeinderat am 4. April 2009 drei Teilbebauungspläne (PAP) zum Bau des neuen Einkaufszentrums. Nur die CSV, damals in der Opposition, enthielt sich, weil sie das Projekt besser in der Gewerbezone „um Monkeler“ gesehen hätte.

Die Brache aus der Vogelperspektive. Oben links ist auch der 1995 eröffnete Supermarkt zu sehen.

Im September 2009 kam dann schon die erste Hiobsbotschaft. Das „Mouvement écologique“ und mehrere Privatpersonen hätten beim Innenministerium wegen eines Formfehlers Beschwerde gegen das Projekt eingelegt, berichtete das Tageblatt. Sie hatten ermittelt, dass das Gelände im PAP anders klassifiziert war als im Flächennutzungsplan PAG. Einige Bürger legten Einspruch vor dem Verwaltungsgericht ein. Infolgedessen rief die Stadt Esch einige Monate später eine erneute Informationsversammlung ein, wo insbesondere über Verkehrsprobleme und Lärmbelästigung diskutiert wurde. Am 11. Juni 2010 nahm der Gemeinderat einstimmig eine punktuelle Änderung des PAG vor, um den Formfehler zu beheben. Ende März 2011 unterzeichnete die damalige Bürgermeisterin Lydia Mutsch (LSAP) die entsprechende Baugenehmigung.

Doch das Verwaltungsgericht gab den Klägern recht und annullierte im Mai 2013 sowohl die vom Gemeinderat angenommene Änderung des PAG als auch deren Genehmigung durch den Innenminister. Die Richter begründen ihr Urteil insbesondere mit der Größe des geplanten Einkaufszentrums und dem zusätzlichen Verkehrsaufkommen. Der Minister für Nachhaltigkeit und Infrastruktur hätte vor der Änderung des PAG in die Prozedur mit eingebunden werden müssen, erläuterten die Richter den Formfehler. Nur wenige Tage später kündigte Lydia Mutsch im Gemeinderat an, die Stadt Esch werde gegen das Urteil in Berufung gehen.

Der erste Entwurf des großen Einkaufszentrums wurde am 26. März 2009 auf einer Bürgerversammlung vorgestellt

Im Dezember 2013 hob das Verwaltungsgericht das erste Urteil auf und dem Bau des neuen Einkaufszentrums stand eigentlich nichts mehr im Weg. Doch nichts passierte. Bis am 22. März 2015 Schöffe Henri Hinterscheid (LSAP) auf einer Versammlung des Lallinger Interessenvereins verkündete, das Projekt werde nicht so umgesetzt, wie ursprünglich geplant. Die Kommodo-Genehmigung sei abgelaufen, die gesamte Prozedur müsse wieder von vorne beginnen. Das Einkaufszentrum werde aber wesentlich kleiner ausfallen.

Das Einkaufszentrum schrumpft

Diese Aussage bestätigte Laurent Schonckert am 11. März 2016 in einem Tageblatt-Interview. Der Konkurrenzkampf auf dem luxemburgischen Markt werde immer härter. Die Cactus-Gruppe plane in nächster Zeit keinen zusätzlichen Hypermarkt mehr, sagte Schonckert: „So gesehen war es uns recht, dass in Esch-Lallingen kein Einkaufszentrum mehr entsteht, sondern ein Supermarkt.“ Im neuen Projekt wurden zwei Drittel Verkaufs- und ein Drittel Wohnfläche geplant. Allerdings müsse dafür der PAG noch einmal angepasst werden. Am 13. Mai 2016 nahm der Escher Gemeinderat diese PAG-Änderung einstimmig an. Rund drei Wochen später organisierte die Stadt Esch eine weitere Informationsversammlung. Das Interesse der Bevölkerung war gering, nur sieben Bürger kamen.

Im Mai 2016 wurde dann das zweite, wesentlich kleinere Projekt vorgestellt

Anderthalb Jahre später, am 13. Januar 2018, verkündeten der neue Bürgermeister Georges Mischo und der neue Infrastrukturschöffe André Zwally (beide CSV) im Gemeinderat, der neue Cactus Lallingen solle 2021 endlich eröffnet werden. Auf einer Fläche von nur noch 7.500 Quadratmetern sollen 24 Geschäfte entstehen. Den Kreisverkehr in Form einer „Quetsch“ habe die Stadt Esch in Absprache mit der Straßenbauverwaltung mittlerweile verworfen. Stattdessen soll der Verkehr an der Kreuzung vor der Lallinger Kirche mit einer intelligenten Ampelanlage geregelt werden, wie Mischo bei der Haushaltsvorstellung im vergangenen Oktober ankündigte.

Am Freitag bestätigte Zwally auf Nachfrage, dass die Arbeiten noch im Laufe dieses Jahres beginnen sollen. Alle Teilbebauungspläne seien genehmigt worden, die Prozedur sei abgeschlossen. Ein genaues Datum liege aber noch nicht vor. Die Cactus-Direktion ließ am Freitag auf Nachfrage verlautbaren, sie wolle sich zurzeit nicht zu diesem Thema äußern.