Der Vermittler aus dem Staatsministerium

Der Vermittler aus dem Staatsministerium

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Ach wäre die Welt eine friedliche und wirtschaftlich blühende, liefe alles so wie zwischen Luxemburg und Russland. Zumal dessen Leader freundschaftlich verbunden sind. Das wäre nicht nur herrlich, sondern auch schön langweilig. Glücklicherweise sorgte die US-Botschaft mit ihrem Einschüchterungsversuch am Vorabend des offiziellen Besuchs von Premierminister Dmitri Medwedew für etwas Spannung.

Strahlende Gesichter bei jeder Station des rund 24-stündigen offiziellen Besuchs in Luxemburg. Wie zwei alte Kumpel, die sich seit ewig kennen und schätzen, präsentieren sich Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel und sein russischer Amtskollege Dmitri Medwedew auch am Mittwoch der Presse im kleinen Auditorium im Mudam, dem vorletzten Termin in Medwedews Besucherprogramm. Dass die EU, und somit auch Luxemburg, seit 2014 regelmäßig Sanktionen gegen Russland bekräftigt und Moskau auf seine Gegensanktionen beharrt, stört das Einvernehmen dieser Tage kaum.

„In dieser Welt hängt alles von konkreten Menschen ab“, unterstreicht Medwedew die Bedeutung seines guten Verhältnisses zu Bettel und damit auch für die guten Beziehungen zwischen den Ländern.

Dabei verschonte man sich nicht mit heiklen Fragen, hieß es. Die Menschenrechte, die Rechte von Minderheiten, Tschetschenien, die Situation um die Krim, die Affäre Skripal habe man angeschnitten, so Bettel, alles Themen, die zu einer Abkühlung der Beziehungen zur EU führten. Seine Grundprinzipien internationaler Politik wiederholte er gestern gleich mehrmals. „Wir müssen mehr kommunizieren.“ Nur wenn man miteinander rede, gelinge es, sich zu verstehen und eine Lösung für anstehende Probleme zu finden. „Ich bleibe denn auch dem Dialog mit der Russischen Föderation verbunden“, so Bettel.

Zum Dialog gehören zwei

Bettel als Vermittler zwischen den altneuen Blöcken, zwischen dem Westen und Russland? Die Idee gefällt Dmitri Medwedew. Xavier Bettel wäre zu einer solchen Vermittlerrolle bereit, sagt er. Bereits 2015 bei ihrem ersten Treffen habe Bettel ihm gesagt: Auch wenn Luxemburg der NATO und der EU angehöre, jemand müsse ja mit Moskau reden. Die Vorstellung, zwischen den Mächtigen zu wandeln und als Brückenbauer aufzutreten, gefällt Bettel. Zumal er bei Russland eine echte Dialogbereitschaft festgestellt haben will. Er werde das seinen EU-Kollegen mitteilen und auch Präsident Trump, wenn er ihm begegne. Aber zum Dialog gehörten zwei.

Bettel als Vermittler? Was sicherlich dem US-Botschafter missfallen würde, so eine Journalistenfrage. Zum ersten Mal an diesem frühen Nachmittag verfinstert sich Medwedews Gesicht. Er wolle das schon kommentieren, sagt er bezüglich des Schreibens der US-Botschaft zu Wochenbeginn, Luxemburgs Regierung möge bitte sehr Medwedew auffordern, „die illegale Besetzung der Krim zu beenden“.

Er kenne zwar den Namen des Kanzleibeamten nicht, aber auf jeden Fall müsse diesem Menschen das einfachste Lehrbuch über internationales öffentliches Recht ausgehändigt werden, damit er, falls er im diplomatischen Dienst ist, wieder das Studium von vorne beginnen könne – einschließlich des Begriffs staatliche Souveränität. Und Medwedew, seinerzeit Lehrer an der juristischen Fakultät der St. Petersburger Uni, legt los: „Was ist das, staatliche Souveränität?“, fragt er in den Saal. Das sei laut klassischer Definition die Oberhoheit staatlicher Gewaltorgane im Land und die Unabhängigkeit der staatlichen Gewalt gegenüber dem Einfluss anderer Staaten. Dann würde auch eine solche Person wieder klarer sehen, meint der Jurist aus Moskau. „Aber ich fürchte, er wird das nicht verstehen.“

Für Bettel bietet Medwedews Kommentar die Gelegenheit, sich gleich als Mediator zu üben. Er respektiere das Land, dessen Soldaten sein Land befreiten, ohne mal dessen Namen zu kennen. Deshalb lebe er in einem freien Land, wo er sich frei ausdrücken könne. „Wenn also der US-Botschafter etwas sagt, darf er das sagen.“ Aber er sei für den Dialog.

Wahlmanipulation: „Schwachsinn“

Etwas mürrisch reagiert Medwedew wenig später auf eine andere Frage. Die EU-Kommission habe die Mitgliedsländer vor Desinformationskampagnen bei den Europawahlen gewarnt und davor, dass Russland Hauptquelle einer solchen Gefahr wäre. Was er denn davon halte? „Werden wir denn schon verdächtigt? Und wie steht es mit der Unschuldsvermutung? Dann soll uns mal jemand etwas beweisen.“ Und überhaupt: Das sei eine Vermutung, die sich auf die Zukunft beziehe. „Das ist Schwachsinn, jemanden für ein Ereignis zu verdächtigen, das noch nicht stattgefunden hat.“ Sollen also zuerst die Wahlen stattfinden, und dann solle man gefälligst Beweise vorlegen. Aber da sei der Schuldige wohl bereits genannt.

Die Schuldzuweisung lehnt Medwedew auch in Sachen Torpedierung des USA-russischen Vertrags über Kurz- und Mittelstreckenraketen ab. Es habe Vorwürfe der USA über etwaige Verletzungen des Vertrags gegeben. Solche gab es auch von russischer Seite, sagt er. „Aber was ist besser, über Vorwürfe und Streitfragen zu diskutieren oder einfach aus dem Vertrag auszusteigen? Eben Letzteres taten die USA, und das unter einem erfundenen Vorwand.“ Das werde sich auf den allgemeinen Sicherheitszustand auswirken.

Der russische Präsident verfügte am Montag, Russland werde sich vorerst nicht mehr ans Abkommen halten. „Man sagt uns nun, man solle sich wieder zusammensetzen und reden“, so Medwedew. Aber da seien heute mehr Teilnehmer anzusprechen. An den Tisch würden die sich nicht setzen, denn es gehe ihnen auch so gut. „Wir hatten die (bilaterale) Vereinbarung getroffen, sie eingehalten und dabei so manches riskiert“, so Medwedew.

Aber weitere Länder kamen nicht hinzu. Die Vertragskündigung untergrabe nicht nur Europas Sicherheit, sondern auch die anderer Regionen. Denn bei einem Konflikt würden nicht nur die Raketen-Lagerstätten Schlägen ausgesetzt, sondern auch alle Zentren, wo die Entscheidungen über den Waffeneinsatz getroffen werden, wiederholte Medwedew die Worte seines Präsidenten.

Diesen düsteren Worten folgte auf Kirchberg freundschaftliches Schulterklopfen. Zumindest in Luxemburg war die Welt gestern noch in Ordnung.


US-Botschafter: „Ich bin überrascht“

Direkt im Anschluss an die Pressekonferenz mit Xavier Bettel und Dmitri Medwedew hat die US-Botschaft die Presse zu sich eingeladen, um die Visite des russischen Premiers zu kommentieren. Botschafter Randy Evans’ erste Worte: „Ich bin überrascht.“ Überrascht darüber, dass die Frage über die Krim-Annexion nicht gestellt wurde. „Luxemburg ist ein spezieller Ort.“ Und weiter: „Es gibt keinen besseren Ort, um diese Frage zu stellen.“

Ausgerechnet am fünften Jahrestag der Krim-Annexion habe Luxemburg, ein Land, das im 20. Jahrhundert zweimal besetzt wurde, und dessen Großherzogin (Charlotte) damals über die BBC gegen die Besatzer um Hilfe bat, die Frage nicht gestellt, so Evans.

„Die Parallele ist echt erschreckend. Wenn ihr einmal kurz darüber nachdenkt, was die Nazi-Deutschen mit Luxemburg gemacht haben. Sie wollten Luxemburg germanisieren. Sie wollten es zu einem Teil von Deutschland machen. Was für eine unglaublich Parallele“, so der US-Botschafter. Das sei genau das, was die Russen mit der Krim vorhaben. Sie machen daraus einen Teil Russlands ohne separate Identität.

„Meine Angst ist, ganz ehrlich, dass die Russen nun zurück gehen und dort die Botschaft verbreiten, dass die Luxemburger am Jahrestag der Krim-Annexion nichts dagegen einzuwenden hatten.“ Und so solle auch niemand sonst etwas dagegen einwenden, so die Argumentation Evans’.

Am Schluss redet er den Journalisten ins Gewissen: „Will Luxemburg sich wirklich als jene Kulisse profilieren, die eine falsche Message in die Welt setzt?“ er