Der Arbeitsplatz ist der größte Stressverursacher – Strategien zur Bewältigung

Der Arbeitsplatz ist der größte Stressverursacher – Strategien zur Bewältigung

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Arbeit ist die Hauptursache für Stress. Das sagen nicht nur Forscher der Universität Trier. Auch die luxemburgische Arbeitnehmerkammer (CSL) bestätigt das im Ende November veröffentlichten „Quality of Work Index 2018“. Sind Arbeitnehmer dem hilflos ausgeliefert? Nein. Es gibt Wege aus der Stressfalle.

Jeder kennt solche Szenen. Morgens im Büro: Es ist viel zu tun und auf dem Schreibtisch liegen noch unerledigte Akten der Tage vorher. Der Chef kommt mit neuen unter dem Arm ins Büro, grüßt und lässt sie neben den alten Stapel fallen. Ein „Sie schaffen das schon“ und er ist wieder draußen. Zurück bleibt ein zuerst verzweifelter, später eventuell auch wütender, mindestens aber frustrierter Arbeitnehmer. Geht das länger so, beginnt ein Teufelskreis. Man schläft schlecht oder gar nicht ein, fast keine Nacht mehr durch und grübelt. Der Morgen beginnt mit dem Gefühl, gar nicht geschlafen zu haben und nicht leistungsfähig zu sein. Viel Kaffee, Energydrinks und grüner Tee sollen helfen, das Essen ist mit Schokolade, Eis oder Chips sehr fett- und kohlenhydrathaltig.

Der Teufelskreis

Und irgendwann rächt der Körper sich. Er meldet sich zu Wort. „Studien belegen, dass chronischer Stress die Widerstandsfähigkeit gegen Herzinfarkte, Diabetes, vermehrte Infekte oder verschiedene Autoimmunkrankheiten mindert“, sagen Gregor Domes, Professor im Fachbereich der Abteilung Biologische und Klinische Psychologie, und Bernadette von Dawans, Leiterin der Forschungsambulanz für Stress und soziale Interaktion der Universität Trier. Beide haben in den vergangenen zwei Jahren mehrere 100 Personen in den Stresslaboren an der Universität Trier und Universität Freiburg getestet. Effekte auf die Psyche bleiben nicht aus. „Das Risiko, Depressionen oder Angstzustände zu entwickeln, steigt unter chronisch andauerndem Stress“, sagt Domes. Dazu muss es nicht kommen.

Der Blick fällt auf den Aktenberg. Wie soll das gehen? „Gar nicht“, ist die erste Reaktion. „In solchen Situationen hilft es, sich zuerst eine kurze Auszeit zu gönnen“, sagt Domes, „dann ist es gut, aus dem Büro herauszugehen und eine Pause zu machen.“ Ein kleiner Spaziergang, eine Entspannungsübung oder ein Gespräch mit Kollegen am Kaffeeautomaten schafft Abstand und dämpft den Ärger.

Konstruktiv und ohne Vorwürfe

Danach wird der Aktenberg sortiert. Stapel A ist wichtig und duldet keinen Aufschub, Kategorie B ist wichtig, eilt aber nicht so, Kategorie C ist „aufschiebbar“. „Es gibt viele, die das noch nie ausprobiert haben“, sagt Domes, „entweder wird das erledigt, was gleich oben liegt oder was am leichtesten erscheint oder es wird der Kollege bedient, der am lautesten schreit, und nicht der, der es am nötigsten hat.“

Stapel A ist nun abgearbeitet, B und C warten nach acht Stunden effektiven Arbeitens immer noch darauf, erledigt zu werden. Der Vorgesetzte kommt und der Ärger ist zurück. Ein „Sie wissen, dass das nicht zu schaffen ist“, liegt auf der Zunge. Falsch. „Es geht jetzt seit Wochen so, dass ich mit meiner Arbeit nicht fertig werde, ich gebe, was ich geben kann“, schlägt Domes vor, „wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir das regulieren können.“ Das ist besser, weil konstruktiv und ohne Vorwürfe oder Schuldzuweisungen.

Sortieren und Reden

Durch Erholung ausgeglichener Stress ist weniger schädlich als Stress, der kein Ventil hat, sagen die Wissenschaftler. Im Klartext heißt das, sich zu überlegen, was entspannt mich? „Regenerative Phasen machen Menschen widerstandsfähiger gegen Stress“, sagt Domes, „viele Menschen sind sich nicht mehr darüber bewusst, wie sie Erholung in ihren Alltag einbauen können.“ Der Aktenberg bleibt – ein bisschen kleiner – da, wo er ist. Jetzt ist Joggen angesagt. Oder leichtes Krafttraining oder ein Museumsbesuch mit Familie und Freunden. Was dabei hilft, Stress abzubauen, muss jeder für sich selbst herausfinden.

Stress ist außerdem per se nicht nur negativ. „Stress ist etwas, das der Mensch zum Leben braucht“, argumentieren die Forscher, „wenn es keine Anforderungen mehr gibt, ist das Leben langweilig.“ Die Kunst, mit Stress umzugehen, besteht darin, ihn positiv umzuwidmen. „Das ist der Kern“, bestätigt Domes, „Stress muss nicht zwangsläufig eine Bedrohung sein. Er kann auch eine Herausforderung sein, die gemeistert wird.“ Davon schmilzt der Aktenberg zwar nicht. Er sieht aus einer positiven Perspektive betrachtet aber schon weniger erdrückend und bedrohlich aus.

„Quality of Work Index“

Kooperation, Partizipation, Feedback und Autonomie am Arbeitsplatz weisen 2018 die bisher niedrigsten Werte in dem seit 2012 erarbeiteten „Quality of Work Index“ auf. Das sagen die beteiligten Forscher der Universität Luxemburg, die den Index im Auftrag der luxemburgischen Arbeitskammer erstellen.
Insbesondere für Autonomie am Arbeitsplatz ist ein stetiger Abwärtstrend zu beobachten. Auch weisen Zeitdruck und Mobbing 2018 die bisher höchsten Werte auf und das Burn-out-Level ist auf dem bisher höchsten Niveau.

Forschung

Es gab mehrere Gruppen. Eine davon hatte zuvor ein neu entwickeltes „Stressbewältigungsprogramm“ online absolviert und schnitt deutlich besser ab. Das „Stressbewältigungsprogramm“ besteht aus sechs Modulen, die im Text erklärt werden, und ist interaktiv. Die Forscher wollen das auf wissenschaftlichen und psychotherapeutischen Erkenntnissen basierende Programm marktfähig machen. Häufigste Stressursache ist Arbeit, Studium oder Ausbildung, die zweithäufigste Ursache sind finanzielle Sorgen. Gleich dahinter kommt „Pendeln“, der Weg zur Arbeit. An der Forschungsambulanz für Stress und soziale Interaktion wird aktuell im Rahmen eines Forschungsprojektes Stressmanagement für gesunde Grundschulkinder der 3. und 4. Klasse angeboten. Weitere Informationen zu diesem und weiteren Projekten finden Sie unter www.stressambulanz.uni-trier.de.

roger wohlfart
14. Dezember 2018 - 13.45

Und daran wird sich in Zukunft wohl auch nichts ändern, im Gegenteil. Sicher, ein Grossteil des Stresses ist hausgemacht, aber die Arbeitgeber fordern immer mehr und werden immer rücksichtsloser. Der Druck den sie auf die Beschäftigten ausüben ist oft gnaden- und rücksichtslos. Heute genügt es nicht mehr, dass schwarze Zahlen geschrieben werden und, dass die Bilanz stimmt, die Gier nach immer mehr steigt ins Uferlose. Diese Zustände machen die Menschen krank, physisch und psychisch, und das geht wiederum zu Lasten der Gesellschaft.