Der andere Max Hahn: Schreiner, Sänger und Ulflinger Gemeinderat

Der andere Max Hahn: Schreiner, Sänger und Ulflinger Gemeinderat

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Er ist Sänger der luxemburgischen Punkband Hallimasch, Mitglied des Ulflinger Gemeinderats und von Beruf Schreiner. Sein Cousin ist der ADR-Spitzenkandidat Michel Lemaire, ein DP-Abgeordneter im Süden und Schöffe in Dippach ist sein Namensvetter. Der 24-jährige Max Hahn aus dem 50-Seelen-Ort Gödingen im Ösling ist ein vielfältiger Charakter ohne Parteikarte, doch mit klaren politischen Ansichten. Wir treffen ihn im Motorradclub «Garage Hangout» in Hosingen.

Dein Namensvetter im Süden durfte in den vergangenen Wochen auf keinem «Dëppefest» und bei keiner Einweihung fehlen. Hast du ihn einmal persönlich getroffen?

Nein, leider nicht. Unser Bürgermeister Edy Mertens ist ja auch DP-Abgeordneter und es gab Pläne, ihn zu treffen. Es kam aber noch nicht dazu. Luxemburg ist klein und ich gehe auch gerne auf «Dëppefester». Doch die Wahlen sind bald vorbei und dann sieht man niemanden mehr.

Bei den Gemeindewahlen hast du auf der «Ëlwener Bierger-Lëscht» (ËBL) kandidiert und bist jetzt Mitglied des Gemeinderats. Wie kam es dazu?

2017 wurde in Ulflingen erstmals nach dem Proporzsystem gewählt. Doch die Gemeinde ist eigentlich viel zu klein dafür. Nur die CSV hatte eine Liste zusammenbekommen. Aus persönlicher Überzeugung wähle ich aber nicht CSV. Deshalb habe ich versucht, mit Freunden eine linke Liste zu gründen, doch bei 3.000 Einwohnern ist es schwer, Leute zu finden, die sich mit Gemeindepolitik beschäftigen wollen. Edy Mertens war in der gleichen Situation wie wir. Wir haben uns dann zusammengetan und hatten damit erstaunlich viel Erfolg.

Bist du Mitglied einer Partei?

Nein. Ich identifiziere mich in vielen Punkten mit «déi Lénk», aber nicht in allen. Es gibt auch andere Parteien, die zu bestimmten Themen gute Argumente haben. Ich diskutiere gerne mit, doch ich brauche dafür keine Parteikarte. Jeder soll denken, was er will. Ich kann mich am besten mit mir selber identifizieren. (lacht)

Seit fünf Jahren bist du Sänger der Band Hallimasch. Wie lebt es sich als «Dorfpunk» im Ösling?

Herrlich. Hier hat man seine Ruhe. Bei uns im Dorf gab es nie ein Problem. Wir kennen uns alle, es gibt keinen Streit.

Schwieriger war es in Ulflingen. Mit 17 habe ich mir Tunnels stechen lassen. Das waren am Anfang zwei kleine silberne Ohrringe. Die Gerüchte, die da im Ösling kursiert sind, das kannst du dir nicht vorstellen. Auf der Kutte, die ich trug, waren Aufnäher, die nicht jedem gefielen. Dann kamen dumme Bemerkungen. Doch damit muss man auch in Luxemburg-Stadt rechnen. Ich habe mir immer einen Spaß aus den Leuten gemacht, die mich verurteilt haben und dachten, ich würde nichts auf die Reihe kriegen. Meine Mutter hat auch mit der Zeit gelernt, dass nicht jeder, der anders aussieht, den ganzen Tag zu Hause sitzt und Dosenbier trinkt.

Was bedeutet für dich, Punk zu sein?

Es wird immer schwieriger, Punk zu sein. Je mehr wir auf Festivals gehen, desto häufiger fällt uns auf, dass wir den Zug, richtige Punks zu werden, längst verpasst haben. Zum Beispiel esse ich gerne Fleisch. In der modernen Punk-Szene wird das nicht gerne gesehen. Auch die Straight-Edge-Szene wird immer größer. Ich finde es gut und respektiere es, wenn Leute auf Fleisch oder Alkohol verzichten wollen. Aber ich möchte, dass sie mich auch respektieren. Ich unterstütze lieber den lokalen Landwirt, als dass ich Mangos aus Argentinien esse. Jeder muss wissen, was er macht und er muss damit leben können.

Woran liegt das?

In Luxemburg ist alles sehr kompliziert. Abends werden die Türen geschlossen und dann wird über die anderen geredet. Es wird sich nicht mehr an einen Tisch gesetzt und darüber diskutiert, weshalb man eine bestimmte Entscheidung trifft. Man braucht nur die Kommentare auf Facebook zu lesen. Wenn diese Leute dir gegenüberstehen würden, könnten sie dir nicht einmal in die Augen schauen. Auf Bällen ist die Musik so laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Ich finde es traurig, dass die zwischenmenschlichen Kontakte immer mehr verloren gehen.

Im Hallimasch-Song Freiheit heißt es «Wir müssen raus hier, um frei zu sein». Was meint ihr damit?

Der Poetry-Slammer Andy Strauß hat einmal in einem Slam gefragt: «Wisst ihr, wieso ich kein Aquarium habe?» Und er antwortete: «Wenn ich nach Hause käme und ich müsste den Fischen zusehen, wie sie in dem Aquarium herumschwimmen, und sie würden ihre Nase gegen die Scheibe drücken, müsste ich ihnen sagen, verdammt, tut doch etwas, um aus dem Aquarium rauszukommen. In dem Moment würde ich erkennen, dass es mir ohne meine Scheiß-Papiere genauso geht. Egal an welcher Grenze.»

Rede einem Menschen nicht von Freiheit, die er gar nicht mehr hat. Wer hat die Grenzen erfunden? Wer hat erfunden, dass ein Grundstück irgendjemandem gehört? Wem gehört die Welt? Den Menschen? Wir wohnen darauf, doch wer hat entschieden, dass dieses oder jenes Haus oder Grundstück diesem oder jenem gehört?

Wie viele Häuser in Luxemburg stehen leer, die von Wohnungslosen besetzt werden könnten? Nein, das geht nicht, weil es gehört ihnen nicht. Müsste man in einem Zeitalter der Wohnungsknappheit nicht damit aufhören, Wohnungen und Bauplätze leer stehen zu lassen, um dann zu sagen, «ich verkaufe sie dieses Jahr noch nicht, weil nächstes Jahr bringen sie mir noch mehr Geld ein?»

«Raus» bedeutet in dem Song, rauszukommen aus der Idiotie des Besitzrechts. Wenn du beispielsweise an einem Weiher spazieren gehst, der in Privatbesitz ist, begehst du Hausfriedensbruch. Geht es noch? Es herrscht ganz viel Misstrauen.

Wie könnte man denn da rauskommen?

Wenn man das wüsste (lacht). Würde man entscheiden, dass nichts mehr niemandem gehört, würden die Grundstückbesitzer Geld verlangen. Damit würden sie dann woanders etwas kaufen. Du kommst nicht mehr raus. Aber die Frage ist, wieso viele Menschen trotz ihres Besitzes so unzufrieden sind. Braucht ein Mensch eine 360 Quadratmeter große Wohnung? Oder eine Garage mit fünf Autos? Während andere Menschen Probleme haben, ihre Familie zu ernähren.

Ich verstehe auch nicht, wieso die einen mehr verdienen als die anderen. Jede Arbeit ist gleich wichtig. Ein Schreinergeselle verdient den Mindestlohn. Ein Staatsbeamter, der Abitur hat, verdient das Doppelte. Ist die Arbeit des einen denn wichtiger als die des anderen? Ich denke nicht. Ich verstehe nicht, wieso es diese soziale Ungerechtigkeit gibt, wieso ein Beruf mehr Wert sein soll als ein anderer.

Als Handwerker stelle ich mir die Frage, wieso wir wie Abschaum behandelt werden. Bei manchen Kunden werden wir angesehen, als ob wir es zu nichts gebracht hätten im Leben, außer ein blödes Handwerk zu lernen. Deshalb will heute auch niemand mehr Handwerker werden. Viele wollen lieber zur «Ponts et chaussées», zur Berufsfeuerwehr oder sogar Soldat oder Polizist werden. Und nachher beklagen sie sich, dass nur noch Portugiesen und Neu-Belgier auf den Baustellen schuften.

Es muss sich etwas ändern. Doch solange es denen, die etwas ändern können, gut geht, wird nichts passieren.

Nationale Identität und die luxemburgische Sprache spielen im Wahlkampf eine wichtige Rolle. Bei Hallimasch singst du auf Deutsch. Wieso nicht auf Luxemburgisch?

Ich bin kein Original-Luxemburger. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich bin der Cousin von Michel Lemaire. Unsere Eltern waren Neu-Belgier, die nach Luxemburg eingewandert sind und sich hier niedergelassen haben. Ich würde nie jemandem sagen, er müsse Luxemburgisch lernen. Wenn ich zum Beispiel nach Esch/Alzette gehe, machen Leute sich über meinen Öslinger Dialekt lustig. Dann sag mir nicht, wir müssten alle Luxemburgisch lernen.

Ich würde am liebsten auf Französisch singen, weil man damit fast alles ausdrücken kann und es klingt immer gut. Doch es fällt mir furchtbar schwer, französische Texte zu schreiben. Wir haben uns schließlich für Deutsch entschieden, um der ganzen Diskussion mit dem Öslinger Akzent aus dem Weg zu gehen. Und Deutsch versteht fast jeder, der auch Luxemburgisch kann.