Das „Verbrechernest“

Das „Verbrechernest“
Der „Karelshaff“ am gleichnamigen Ort zwischen Colmar-Berg und Mertzig

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Im Rahmen unserer Serie über Bauernhöfe in Luxemburg hatten wir in unserer Ausgabe vom 10. August an dieser Stelle über den Karelshof zwischen Colmar-Berg und Mertzig berichtet. Ein Leser hat uns in diesem Zusammenhang nun zusätzliche Informationen mitgeteilt, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen.

Beim Lesen unseres Artikels unter dem Titel «Vom Jagdhaus zum Bauernhof» kamen bei manchen unserer Leser Erinnerungen hoch. Einer von ihnen teilte uns die per Schreiben mit. Es handelt sich um Ereignisse aus der Zeit der Nazi-Besatzung. «Die Familie Von Roesgen verwaltete zu der Zeit, wie im Tageblatt-Artikel vom 10. August vermerkt, bereits den Karelshof, der im Besitz der großherzoglichen Familie war. Die Nazis hatten sich den Hof damals schnell angeeignet, um ihn an einen deutschen Landsmann weiterzuverkaufen. Ein Mann aus Trier kaufte das Gehöft für einen absolut lächerlich niedrigen Preis», so der Verfasser des oben erwähnten Schreibens.

Das habe damals dazu geführt, dass die Familie Charles von Roesgen den Hof hätte verlassen müssen. «Das wäre nicht nur für die Familie, sondern auch für all jene, die die Familie auf dem Hof aufgenommen bzw. vor den Nazis versteckt hatten, eine wahre Katastrophe gewesen. Unter ihnen waren Kriegsverweigerer, Resistenzler, ein Vorarbeiter der Arbed, ein Vetter und mein Vater, ein junger Anwalt, sowie meine Mutter und ich selbst», so Dony Calmes.

Wenig später wurde dem Käufer aus Trier vorgehalten, er habe den Hof lediglich erstanden, um seinen Sohn dort unterzubringen und ihn so vor der Zwangsrekrutierung in die Wehrmacht zu schützen. Die Nazis warfen ihm vor, er habe sein Vaterland mit seinem Handeln gleich zweimal verraten. Der Mann aus Trier tauchte daraufhin unter. Erst nach der Befreiung hörte man wieder etwas von ihm. Er wollte in den Genuss «seines Besitztums» gelangen, doch als ihm das verweigert wurde, zog er sogar gegen den Luxemburger Staat vor Gericht. Dort wurde kurzer Prozess mit dem Trierer gemacht.

Zwei US-Piloten werden versteckt

Dony Calmes erinnert sich auch an den frühen Morgen des 23. August 1943: «Mein Vater hatte mit dem Pferdegespann eine erste Furche auf einem Acker entlang der Ettelbrücker Straße gezogen, als zwei amerikanische Piloten in Uniform des Weges kamen, völlig erschöpft und sichtlich schwer krank. Sie baten meinen Vater um Hilfe. Die beiden gehörten zur 532. Fliegerstaffel, die in England stationiert war. Sie hatten die Mission, am 17. August 1942 die SKF-Fabrik (Hersteller von Kugellagern) in Schweinfurt zu bombardieren. Auf ihrem Rückflug wurde ihre Boeing B-17 («Fliegende Festung») in der Nähe von Koblenz abgeschossen. Die Mannschaft an Bord rettete sich mit Fallschirmen, wurde aber am Boden von den Deutschen festgenommen. Nur die beiden Piloten sollten davonkommen. Sie wollten sich mit Hilfe eines Kompasses und einer Karte bis nach Antwerpen durchschlagen.»

Die beiden Amerikaner wurden damals in einem Nebenhaus des großherzoglichen Schlosses (unweit des Karelshof also) versteckt und dort gesundgepflegt. Sie erhielten neben ziviler Kleidung auch neue Ausweispapiere und wurden, dank eines Resistenzlernetzes, bis nach England gebracht. Ihr Aufenthalt in Luxemburg hatte zwei Monate gedauert. «Dieses Ereignis brachte es mit sich, dass mein Vater und andere Mithelfer im Oktober 1943 von der Gestapo verhaftet wurden», so Dony Calmes weiter. «Ich wollte diese Informationen an die Öffentlichkeit bringen, um aufzuzeigen, dass der Karelshof während der Nazi-Besetzung dank der Familie Von Roesgen eine wichtige Drehscheibe des Geheimdienstes und der Resistenz in der Region um Ettelbrück und Mersch war.»

Dieser Tatsache seien sich die Besatzer damals wohl auch durchaus bewusst gewesen, hätten die Gestapo-Leute den Karelshof doch während der Vernehmung des Vaters von Dony Calmes in Hinzert mehrfach als «Verbrechernest» betitelt.

roger wohlfart
22. August 2018 - 13.06

Der Karelshaff gehört nicht nur als historische Bausubstanz, sondern auch wegen seiner Rolle im Zweiten Weltkrieg auf die Liste der schützenswerten Gebäude, in diesem Fall als stummer Zeuge seiner legitimen patriotischen Besitzer. Hier müsste unbedingt eine entsprechende Gedenktafel angebracht werden zu Ehren der Familie von Roesgen resp. Calmes.