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Blut an den Händen des Öls – Nach dem Fall Khashoggi wächst der Druck auf Riad

Blut an den Händen des Öls – Nach dem Fall Khashoggi wächst der Druck auf Riad

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Saudi-Arabien gerät nach dem gewaltsamen Tod des saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi international immer stärker unter Druck. Zahlreiche Staaten halten die offizielle Darstellung, wonach Khashoggi im Konsulat des Königreichs in Istanbul bei einer Schlägerei zu Tode kam, für unglaubwürdig.

In der saudiarabischen Hauptstadt Riad laufen die Drähte heiß. Kaum einer glaubt den Saudis ihre Version der Geschichte um die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi. Nicht einmal Donald Trump tut das noch. Zumindest zurzeit nicht. Der US-Präsident warf Riad gestern «Lügen» vor. Berlin, Paris und London erklärten, es bestehe weiterhin dringender Klärungsbedarf. Die Türkei kündigte an, am Montag die «ganze Wahrheit» zu enthüllen. Das klingt alles nach aufziehendem, mächtigen Ärger für das saudische Königshaus.

Knapp drei Wochen nach Khashoggis Verschwinden legte die Generalstaatsanwaltschaft in Riad am Samstag eine offizielle Version der Ereignisse vor. Demnach führte eine «Schlägerei» im Konsulat zum Tod des Journalisten. Zusätzliche Verwirrung stiftete der Gründer der Riad-nahen «Arabia Foundation», Ali Schihabi, der angab, Khashoggi sei in den Würgegriff genommen worden und dabei erstickt.

Trump und die «Lügen»

18 Staatsbürger Saudi-Arabiens wurden nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft festgenommen und zwei hochrangige Berater von Kronprinz Mohammed bin Salman sowie drei weitere Geheimdienstmitarbeiter entlassen. Bislang hatte Saudi-Arabien bestritten, dass der Regierungskritiker im Konsulat zu Tode gekommen sein könnte.

Saudi-Arabiens Außenminister Adel al-Dschubeir bezeichnete die Tötung des Journalisten gestern als «gewaltigen Fehler». König Salman sei entschlossen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen, sagte al-Dschubeir dem US-Sender Fox News. Er dementierte erneut jegliche Verwicklung der Regierung und des Kronprinzen in das Verbrechen. Die Führung in Riad wisse nicht, wo Khashoggis Leiche ist, sagte al-Dschubeir in dem Interview mit Fox News.

Riads Erklärungsversuche trafen international auf große Skepsis. Es bestehe weiterhin die «dringende Notwendigkeit zu klären, was genau am 2. Oktober vorgefallen ist», hieß es gestern in einer gemeinsamen Erklärung Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens. Saudi-Arabiens offizielle Darstellung müsse «mit Tatsachen untermauert werden», um glaubwürdig zu sein. Die Außenminister der drei Staaten, Jean-Yves Le Drian, Heiko Maas und Jeremy Hunt verurteilten die Tötung des regierungskritischen Journalisten in ihrer Stellungnahme «in aller Schärfe». Sie verlangten weitere Untersuchungen, um «die Wahrheit in umfassender, transparenter und glaubwürdiger Weise ans Licht zu bringen». Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte ebenfalls «umfassende, glaubwürdige und transparente Ermittlungen» zu Khashoggis Tod. Die EU bestehe darauf, dass «alle dafür Verantwortlichen uneingeschränkt zur Rechenschaft» gezogen würden.

Auch US-Präsident Trump verschärfte im Laufe des Wochenendes seinen Ton gegenüber Riad. Nachdem er Saudi-Arabiens Erklärung zunächst als glaubwürdig eingestuft hatte, verlangte er am Samstag weitere Informationen. In einem Interview mit der Washington Post warf er Saudi-Arabien später «Täuschung und Lügen» vor. Den saudiarabischen Kronprinzen nahm er aber in Schutz. Es liege bislang kein Beweis dafür vor, dass der 33-jährige Thronfolger verantwortlich sei für die Tat, sagte Trump.

Erdogans Ankündigung

Rückendeckung erhielt Saudi-Arabien von seinen Verbündeten in der Region – den Vereinigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Kuwait, Oman, Bahrain und Ägypten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte eine vollständige Aufklärung des Falls an. Er werde am Montag im Parlament die «ganze Wahrheit» enthüllen, sagte Erdogan am Sonntag. Türkische Ermittler hatten in den vergangenen Tagen das Konsulat und die Residenz des Konsuls in Istanbul untersucht. Die Suche nach Khashoggis Leiche verlief bislang erfolglos.

Der Journalist hatte am 2. Oktober das Konsulat aufgesucht, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Türkische und US-Medien hatten berichtet, der Journalist sei von saudiarabischen Agenten in dem Konsulat gefoltert und ermordet worden. Sie beriefen sich auf Tonaufnahmen, die türkischen Sicherheitskräften vorliegen sollen. Medienberichten zufolge lud die türkische Staatsanwaltschaft gestern 25 weitere Zeugen vor, um sie zu den Vorgängen in dem Konsulat in Istanbul zu befragen.

Khashoggi: Journalist, Muslimbruder und Königshaus-Insider

Jamal Khashoggi war gewarnt, als er ins saudiarabische Konsulat in Istanbul ging. Freunde rieten ihm ab, sich in den Machtbereich von Kronprinz Mohammed bin Salman zu begeben, vor dem er vergangenes Jahr in die USA geflohen war. Aber Khashoggi fühlte sich sicher in der Türkei, zu unwahrscheinlich erschien eine Festnahme oder eine Entführung. Doch nun hat Saudi-Arabien gestanden, dass der unbequeme Kritiker im Konsulat getötet wurde. Die Führung in Riad verkündete zudem die Absetzung des Vize-Geheimdienstchefs Ahmad al-Assiri und des königlichen Medienberaters Saud al-Kahtani. Beide gehören zum inneren Zirkel von Kronprinz bin Salman, der verdächtigt wird, den Mord an seinem Kritiker angeordnet zu haben. Zwar bestreitet bin Salman jede Kenntnis von dem Geschehen im Konsulat. Doch wenn seine beiden Vertrauten al-Assiri und al-Kahtani hinter der Tat stecken, erscheint es fraglich, dass der Kronprinz selbst nicht informiert war.

Khashoggi war keineswegs ein radikaler Gegner des Königshauses, die Bezeichnung Dissident lehnte der Journalist selber ab. Vielmehr galt er als gemäßigter Kritiker, der die von Kronprinz bin Salman eingeleiteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen durchaus begrüßte, aber den Mangel an Partizipation und Pressefreiheit kritisierte. Zu Beginn seiner Karriere war der am 13. Oktober 1958 in Medina geborene Journalist islamistischen Ideen zugeneigt und interviewte wiederholt den späteren Al-Kaida-Führer Osama bin Laden in Afghanistan und im Sudan. Später wandte Khashoggi sich liberaleren Ideen zu und kritisierte die strikte Lesart des Islam durch die Salafisten, was ihn in Konflikt mit dem religiösen Establishment brachte.

Ambivalentes Verhältnis zum Königshaus

Khashoggis Verhältnis zum Königshaus war ambivalent. Zeitweilig diente er als Berater des mächtigen Prinzen Turki al-Faisal, der lange Botschafter in Washington war und die Geheimdienste leitete. In seiner langen Karriere arbeitete er für zahlreiche Medien; zweimal übernahm er die Leitung der Zeitung Al-Watan, zweimal musste er wegen seiner kritischen Berichterstattung gehen.

Im Auftrag des Milliardärs Prinz Al-Walid bin Talal baute Khashoggi 2015 einen neuen panarabischen Nachrichtensender namens «Al-Arab» in Bahrain auf, doch ließ das Emirat den Sender wegen eines kritischen Beitrags gleich am zweiten Tag schließen. Bin Talal wurde im November 2017 zusammen mit Dutzenden anderen Prinzen und Geschäftsleuten in Riad wegen «Korruption» inhaftiert.

Da sich unter Kronprinz bin Salman die Repression in Saudi-Arabien weiter verschärfte und Khashoggi seine Arbeit bei der Zeitung Al-Hayat verlor, nachdem er die von Riad als «Terrororganisation» eingestufte islamistische Muslimbruderschaft verteidigt hatte, ging er im September 2017 aus Angst vor einer Festnahme in die USA, wo er für die Washington Post schrieb. Dort kritisierte er immer wieder die Politik bin Salmans, darunter die verheerende Militärintervention im Jemen sowie die Blockade gegen das Golfemirat Katar. In einer Kolumne im März lobte Khashoggi die innenpolitischen Reformen des Kronprinzen, kritisierte aber, dass er keine öffentliche Debatte darüber zulasse und Kritiker festnehmen oder verschwinden lasse.

Nun hat es ihn selber getroffen. Die Tötung des Kritikers wirft ein grelles Schlaglicht auf die Lage der Pressefreiheit unter bin Salman. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) steht Saudi-Arabien auf Platz 169 von 180, von einer freien Presse kann keine Rede sein. Der Tod Khashoggis dürfte nun im Westen die Debatte über den Umgang mit dem Verbündeten in Riad neu befeuern.

Mephisto
23. Oktober 2018 - 12.15

Ein tiefer Griff in die staatliche saudische Ölkasse und recht bald werden sie wieder zu Kreuze kriechen: Die westlichen Politiker, die Wirtschaftsbosse,die Waffenlieferanten , die Spitzensportler usw Und dann kommt es auch bald wieder zu Staatsempfängen im Weissen Haus, im Buckingham Palace und sonstwo. Die Trauerzeit wird nicht so lang dauern.