„Bio und Ökologie gehören auf jeden Teller“ – findet Bioland-Chef Jan Plagge

„Bio und Ökologie gehören auf jeden Teller“ – findet Bioland-Chef Jan Plagge

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Noch steht der Koalitionsvertrag nicht. «déi gréng» werden aber darauf pochen, ihre Forderungen in puncto Bio-Landwirtschaft durchzusetzen. Daran lässt Grünenpolitiker Claude Turmes, Staatssekretär im Nachhaltigkeitsministerium, keinen Zweifel und betont dieses Anliegen bei jeder sich bietenden Gelegenheit – wie zuletzt beim 4. Biosymposium in Oberanven.

Ein Gespräch mit «Bioland»- Präsident Jan Plagge über die Mission der Branche, das Erfolgsmodell Dänemark und die Lobby der Agrarindustrie.

Tageblatt: Nur 4,1 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Luxemburg und 8,2 Prozent in Deutschland wurden 2017 ökologisch bewirtschaftet. Das ist ernüchternd. Sie sprechen von «Bio» als Mainstream bis 2030. Sind Sie ein Berufsoptimist?
Jan Plagge: Ja, muss ich sein. Als ich als jugendlicher Idealist auf dem elterlichen Hof in Niedersachsen mitgeholfen habe, haben wir alle gedacht, die Umstellung möglichst vieler Betriebe geht viel schneller. Der Trend ist seit drei Jahren aber steigend.

Was ist die Mission der Branche? Sie vertreten 7.300 Betriebe in Deutschland.
Sie muss zeigen, dass es kein Luxus sein darf, ökologisch zu handeln. Sie muss zeigen, dass Bio und Ökologie auf jeden Teller gehören. Wir müssen gesunde, nachhaltige Lebensmittel allen Menschen zugänglich machen und die Rahmenbedingungen so gestalten, dass diejenigen, die unsere Lebensgrundlagen schützen, auch einen wirtschaftlichen Vorteil davon haben.

Sie meinen die Biobauern?
Nicht nur. Auch die Verbraucher müssen das spüren. Produkte, die mehr für das Gemeinwohl leisten, müssten eigentlich günstiger sein als die, die ihre Folgekosten auf andere abschieben. Bisher ist es ja so, dass der Verbraucher an der Theke eines Bioladens doppelt bezahlt.

Sie bezahlen den Mehrpreis für Produkte, die ressourcenschonend hergestellt wurden. Und sie finanzieren über ihre Steuern die Milliardenprogramme der Regierungen für Reparaturmaßnahmen an der Umwelt. Diesen Grundfehler in unserem derzeitigen System müssen wir politisch korrigieren.

Die Bauern befinden sich in dem Spannungsfeld zwischen «Geiz ist geil», Konsumdruck und Natur. Ist «Bio» der Ausweg?
Es ist der einfachste Weg, ein starkes Signal in Richtung nachhaltige Landwirtschaft zu setzen. «Bio» ist mittlerweile überall und breit verfügbar und seinen Einkaufskorb darauf umzustellen, ist fast jedem möglich.

ZUR PERSON:
Jan Plagge

Der 47-Jährige hat Gartenbauwissenschaften in München studiert. Er ist seit 2011 Präsident der Bioland e.V., des nach eigenen Angaben führenden Verbandes für ökologischen Landbau in Deutschland. Rund 7.300 Landwirte, Gärtner, Imker und Winzer wirtschaften nach den Bioland-Richtlinien. Hinzukommen mehr als 1.000 Partner aus Herstellung und Handel wie Bäckereien, Molkereien, Metzgereien und Gastronomie. 2011 wurde Plagge auch in den Vorstand «Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft» (BÖLW) e.V. gewählt. Seit 2018 ist er Präsident des Europäischen Dachverbandes der Biobranche, der Ifoam-EU-Gruppe (International Federation of Organic Agriculture Movements).

Trotzdem befinden sich
die Bauern in dem inneren Konflikt, den Aufrufen nach Umstellung auf «Bio» folgen zu wollen und andererseits der Angst, zum Mainstream zu werden. Gibt es eine Lösung?
Der innere Konflikt ist endgültig beseitigt, wenn ganze Dörfer oder Landstriche zu 40, 50 Prozent auf Ökologisch umgestellt haben. Das haben wir schon im Salzburger Land, in der Schweiz, in Teilen Deutschlands und in Italien. Bis dahin müssen wir den Widerstand und die Skepsis aushalten und erklären, dass «Bio» keine Ideologie, ist, sondern dass wir das für das Gemeinwohl brauchen.

Sie nennen gerne Dänemark als Beispiel dafür, dass «Bio» fast schon Staatspolitik ist. Wie haben die Dänen das geschafft?
Die Dänen haben den Trend, außer Haus zu essen, ernst genommen. Wenn ein Großteil des Essens in Tagesstätten oder Schulen oder bei Erwerbstätigen in Kantinen stattfindet, dann muss regional, frisch und «Bio» dorthin wandern. Sie haben ein massives staatliches Programm mit der Wirtschaft zusammen aufgefahren, das «Bio», Frische, Genuss und Regionalität miteinander verbindet. In Kopenhagen beträgt der Bio-Anteil aller öffentlichen Kantinen bereits über 90 Prozent. Kopenhagen ist eine Bio-Stadt, ein echtes Vorbild für uns.

Ähnliches fordern «déi gréng» in Luxemburg auch … Wie kommt es dann zur Zusammenarbeit von Bioland mit Lidl, einem Discounter?
Wenn wir die Welt ökologischer und sozialer machen wollen, dann dürfen wir nicht nur große Visionen an die Wand werfen. Wir müssen im Hier und Jetzt und mit den Akteuren, die da sind, arbeiten und diesen helfen, schrittweise umzustellen.

Der Shitstorm war aber ordentlich …
Wir haben jahrzehntelang versucht, die Erzeuger, sprich die Bauern, zu überzeugen und zu beraten. Jetzt ist der Handel an der Reihe. Lidl hat sich bereit erklärt, die Leitbilder und die Prinzipien von Bioland als Richtschnur für das Biosortiment konsequent umzusetzen. Das war für uns die riesige Chance, über Europas größtem Lebensmittel-Händler auch die Verbraucher zu erreichen, die nicht in Bioläden einkaufen.

Die Discounter bestimmen qua ihrer Marktmacht die Regeln für die Zulieferer. Wie wahrt Bioland die Hoheit der Qualität bei dieser Kooperation?
Wir haben dafür den umfangreichsten Vertrag unserer Geschichte ausgearbeitet und 18 Monate verhandelt. Fair-Play-Regeln und eine Ombuds-Stelle sichern uns hier bestmöglich ab.

Die gemeinsame europäische Agrarpolitik (GAP) arbeitet aber anders. Sie belohnt «Wachstum», indem die Subventionen pro Hektar Fläche vergeben werden. Hat «Bio» keine Lobby in Brüssel?
Die derzeitige Art, wie die Gelder verteilt werden, ist die einfachste und konfliktfreieste für alle europäischen Politiker. Jeder bekommt den gleichen Betrag pro Fläche, das belohnt Flächen-Wachstum. Steuergeld wird für privaten Landbesitz ausgegeben, anstatt für notwendige öffentliche Leistungen. Der Druck der Agrarindustrie-Lobby ist so groß, dass sich kein Politiker traut, die Wahrheit auszusprechen, geschweige denn, substanziell etwas zu ändern.


Bio in Luxemburg

2016 wurden laut der «Administration des services techniques de l’agriculture» (ASTA) 4.543 Hektar biologisch bewirtschaftet. Die Zahl beinhaltet auch die Höfe, die noch in der Umstellungsphase sind. Für 2017 werden es geschätzte 5.446 Hektar sein. Auch diese Zahl beinhaltet Höfe, die die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung noch nicht abgeschlossen haben, und zeigt, der Trend steigt. Die Gesamtfläche der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Luxemburg beträgt der ASTA zufolge 130.651 Hektar. Der Anteil der biologisch bewirtschafteten Fläche liegt damit bei 4,1 Prozent.

Zum Vergleich: In Deutschland lag 2017 der Anteil der ökologisch/biologisch bewirtschafteten Fläche an der Gesamtfläche, die landwirtschaftlich genutzt wird, bei 8,2 Prozent. 2017 gab es laut ASTA 1.832 konventionell arbeitende landwirtschaftliche Betriebe. Hinzu kommen 132 Biobetriebe. Das entspricht einem Anteil von 6,7 Prozent. 81 davon sind nach eigenen Angaben bei «Bio-Lëtzebuerg» organisiert, die das alljährlich stattfindende «Bio-Symposium» ausrichten. Sechs Betriebe davon sind Verarbeiter/Händler. In Deutschland liegt der Anteil der Biobetriebe an der Gesamtzahl der landwirtschaftlichen Betriebe bei 11 Prozent. Die Zahlen für Deutschland stammen vom «Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft» (BÖLW).

Lesen Sie zum Thema auch den aktuellen Kommentar

 

Realist
28. November 2018 - 16.04

So ein weltfremder Unsinn. Wenn man allein die Eier für jeden EU-Bürger nur noch aus sogen. "Biobauern"-Aufzucht erlauben würde, müsste man schon einen Grossteil der europäischen Wälder abholzen, um Platz für die Freilandhaltung zu schaffen. Und das , wie gesagt, nur für die Eier. Von Fleisch, Wurst, Mehl usw. war da noch nicht mal die Rede. Auf meinen Teller kommen jedenfalls nur Nahrungsmittel, die mir schmecken. Keine Ideologie, keine Politik und kein - Ismus oder sonstiger Religionsersatz. Fertig.

Pierre Germaine
28. November 2018 - 12.17

Absolut Averstanen mat dem Chef vun BioLand ! D' Preiser vun Bio wären vill méi kompetitiv, wann all dei zersteierech Käschten op Mensch & Natur, dei déi konventionell Landwirtschaft verursaacht, mat an dären Preis fléissen géingen. Mais mat dem Romain Schneider (LSAP) als künftegen Landwirtscahftminister, kräischt den gréissten Deel vun da Bevëlkerung, den sech ENDLECH een ËMDENKEN an da Landwirtschaft hin zou Bio, manner Pestiziden & enger nohalteger Landwirtschaft gewënscht huet. Genau esou d' Bio-Baueren & dei kleng Baueren. Mais das erem een riesen Erfoleg fir d' Groussbaueren & Agrar & Pestizid Lobby. Mat dem Schneider hunn si erem een Minister, den dei joerzengtenaal, falsch Politik weiderdreit, dei eis Biedem verseucht & eis Liewensmëttel mei deier & qualitativ schlecht mescht. D' Sozis sinn och just nach Affekoten an Lobbyisten, an dei Greng hunn och ganz schlecht verhandelt !!! D'sollt een einfach Politiker ofschafen & wei an da Schweiz Referenden iwwer wichteg Gesellschaftlech Froen opstellen, dann hätten min. 70% vun den Bierger fir eng Verännerung hin zou enger Pestizid-fréier, Bio Landwirtschaft gestemmt ! Politiker stinn just am Wee & mat hiren Lobbisten !

Jacques Zeyen
28. November 2018 - 10.27

" Ich hatte heute morgen zwei Eier von glücklichen Hühnern und ich fühle mich auch schon viel besser." Aber mal ehrlich.Müssten wir nicht längst Gemüse,Milch oder Fleisch einkaufen können,müssen,dürfen ohne uns Gedanken über Gifte und Tierquälerei machen zu müssen. Wo ist unser Gesetzgeber (das sind ja wir im Grunde genommen) der schwarzen Schafen auf die Finger klopft. Die schwarzen Schafe sind hier nicht unbedingt die Züchter sondern vielmehr die Preistreiber,die "Geiz ist geil"-Propheten.Also wir selbst und die Einkaufsketten.Könnten wir (also die Gesetzgeber) nicht per Subvention für gute Produkte,die schwarzen Schafe vom Markt treiben.Und könnten wir(also die Konsumenten) nicht die makellose,glänzende, zwanzig Zentimeter große Paprika aus Spanien einfach liegen lassen bis sie als Bio-Produkt ausgezeichnet ist? Natürlich könnten wir. Und zwar indem wir(also der Gesetzgeber) die guten Produkte subventionieren und nicht den Mist aus den Turbofabriken. Ein bezahlbarer Preis für Bioprodukte muss das Ziel sein,jedenfalls solange die meisten Menschen den Euro zweimal umdrehen müssen. Also in dem Sinne: " Grénge Léiw,huel se."