Auf Abwegen: Macron, Frankreich und die „Gilets jaunes“

Auf Abwegen: Macron, Frankreich und die „Gilets jaunes“

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Kann man gegen sein Volk regieren? Klar geht das, halt nur nicht in einer liberalen Demokratie. Eine solche ist Frankreich, und die Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit von Franzosen und ihrer Führung tritt nun gewaltsam zutage.

Die Uniformität der gelben Westen lässt sie als geschlossenen Block erscheinen. Doch einen tut sie einzig die Verachtung für ihren Präsidenten. Am Samstag haben sich im Schutz der Signalfarbe Gruppierungen von ganz links und ganz rechts unter die gemischt, die ihrem Präsidenten vor allem eines vermitteln wollen: dass sie die Schnauze voll haben, wohl nicht nur von seiner Politik, sondern auch von seiner Person. Macron pflegt einen Führungsstil, dem immer weniger folgen wollen.

Die ursprüngliche Wut dieser Bewegung rührt nicht von einem Gefühl der Ungleichheit her, sondern von dem Zustand der Ungleichheit. Diese Menschen sind wütend, weil sie nicht genug Geld haben, um weiter so zu leben, wie sie es gewohnt sind. Sie fordern nicht einmal mehr Geld, sie wollen bloß, dass ihr Leben nicht noch teurer und damit komplizierter wird. Kaum etwas setzt Menschen mehr unter Stress als Geldknappheit.

Es ist diese Art von Stress, die ihr Präsident offensichtlich weder versteht noch verstehen will. Macron will das Klima retten, was eine Notwendigkeit ist. Diese Menschen wollen ihren Alltag retten, was nicht minder nachvollziehbar ist. Ein erfahrener Staatsmann müsste wissen, dass große Ziele nur dann erreichbar sind, wenn «seine» Bürger dahinterstehen. Besonders in Frankreich gilt: Die Antwort auf die politische Brechstange lautet Aufstand.

Die liberalen Gegner der «Gilets jaunes» rufen dazwischen, es handele sich bloß um eine Minderheit. Die linken Gegner der «Gilets jaunes» sehen sie von rechts unterwandert, was ihnen zur pauschalen Ablehnung reicht. An beiden Vorwürfen mag etwas dran sein, zur Diskreditierung reichen sie nicht.

Sie spiegeln vielmehr einerseits diese so verhasste Arroganz der «Eliten» wider. Andererseits sind sie ein Offenbarungseid für Teile der französischen Linken. Da sie eine Bewegung nicht für sich einfangen können, die für mehr soziale Gerechtigkeit eintritt, wird sie mit dem Totschlagargument der rechten Unterwanderung beiseitegewischt – anstatt sich der Ursachen anzunehmen, die zu dieser kollektiven Wut geführt haben.

Die Wurzel der Proteste liegt in der sozialen Ungleichheit. Die ist nicht nur in Frankreich ein grundlegendes gesellschaftliches Problem. Dort aber leuchtet sie nun in Signalfarbe auf und lenkt alles Licht auf einen Missstand, der nicht nur unseren Nachbarn belastet: Die Kluft zwischen hoher Politik und weiten Teilen der Bevölkerung ist so weit gediehen, dass man sich nicht mehr versteht. Macron benimmt sich so, als sei ihm die Weisheit mit dem ganz großen Löffel eingetrichtert worden. Immer mehr sind solchen Benehmens einfach überdrüssig.

Macron sagt, er werde alle Randalierer vor Gericht stellen, er werde Gewalt niemals dulden. Das muss er auch nicht, dafür gibt es den Rechtsstaat. Was er dabei vergisst: Seine Politik wird zunehmend als genau das empfunden – als eine Form der Gewalt. Dass die Ausrufung des Ausnahmezustandes ernsthaft in Erwägung gezogen wird, ist ein Zeichen der politischen Hilflosigkeit. Mit einem Ausnahmezustand auf politische Forderungen zu reagieren, das ist Politik nach Autokraten-Manier. Das sollte eines französischen Präsidenten unwürdig sein.

roger wohlfart
4. Dezember 2018 - 12.27

Und während das Volk auf die Strasse geht, lässt " Sonnenpräsident " Macron den Elysée Palast renovieren!

L.Marx
3. Dezember 2018 - 18.22

Macron verachtet nicht nur die vielen, die bei den letzten Wahlen grosse Hoffnung auf ihn gesetzt hatten. Er verachtet auch die Abgeordneten. Die Liste der Gesetze, die per Dekret umgesetzt wurden begann bereits wenige Tage nach der Amtseinführung und ist inzwischen so lang wie bei keinem seiner Amts-Vorgänger ... Das Problem in Frankreich ist das Modell einer aus der Zeit gefallenen Präsidialregierung, Das hatten auch schon frühere Präsidenten nicht verstanden. Am Ende regierten sie sogar gegen ihre eigene Regierung,

Jacques Zeyen
3. Dezember 2018 - 12.19

"Die höchste Form der Gewalt ist die Staatsgewalt." " Ein Staat in dem die Bürger Angst haben müssen,ist ein gescheiterter Staat." (Jean Ziegler) Man braucht nicht auf einer Eliteschule abzuschliessen um zu wissen,dass ein System das auf Konsum aufgebaut ist den Menschen auch das Konsumieren ermöglichen muss. Macron sollte anderswo sparen. Zum Beispiel bei seiner "Force de Frappe".Weltmacht spielen ist teuer.Da sind die Deutschen schlauer. Die bauen zwar auch Waffen,aber die werden verkauft. Die Randalierer sind Nebenerscheinungen bei jeder Demo,nicht nur in Frankreich. Die schaden der Bewegung und gehören weggesperrt. Das ändert aber nichts am Motiv und Macron sollte nicht vom Thema ablenken,sondern schleunigst eine Lösung vorschlagen.Er hat geschworen Präsident ALLER Franzosen zu sein,nicht nur der oberen 5% seiner Klasse. Denen ist der Spritpreis wurscht.