Architekt Heinrich Böll findet, die Gebläsehalle in Belval „sollte unbedingt stehen bleiben“

Architekt Heinrich Böll findet, die Gebläsehalle in Belval „sollte unbedingt stehen bleiben“

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Am vergangenen Freitag fand unter dem Titel «Hallz we need» ein Seminar über die Erhaltung von Industriedenkmälern in der «Halle des poches» in Belval statt. Mehrere renommierte Wissenschaftler und Architekten plädierten für den Erhalt der historisch wie architektonisch bedeutsamen Belvaler Gebläsehalle.

«Mir hunn decidéiert, d’Gebléishal ze klasséieren», sagte der Staatssekretär im Kulturministerium bei seiner Ansprache. Allerdings war es nur ein Versprecher, denn Arendt hatte die Halle der «Groussgasmaschinn» in Differdingen gemeint, wie er kurze Zeit später bemerkte.

Die 160 Meter lange, 72 Meter breite und 28 Meter hohe Gebläsehalle in Belval ist längst zum Politikum geworden. Nachdem eine öffentliche Petition gescheitert war, ist noch immer nicht klar, was künftig mit dem riesigen Gebäude passieren soll. Die neue Generaldirektorin von Esch 2022 hatte sich kürzlich im Radio gewünscht, dass die 1911 erbaute Gebläsehalle das Headquarter der Europäischen Kulturhauptstadt werde. Eine Idee, die auch der Escher Bürgermeister Georges Mischo (CSV) unterstützt, wie er am vergangenen Freitag beteuerte.

Der Darstellung der Denkmalschutzbehörde, sie sehe keinen ganz großen historischen und architektonischen Wert in der 300.000 Kubikmeter großen Halle, widersprachen am Freitag gleich mehrere Experten. Der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Prof. Walter Buschmann aus Aachen hielt ein Plädoyer für die hohe Qualität der Architektur der Industriehalle. Der luxemburgische Historiker Jacques Maas bezeichnete die Gebläsehalle als «Pionier der integrierten Großhütte» im Bereich der Gichtgasnutzung. «Die bedeutsamen Industriedenkmäler der wirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert» müssten erhalten bleiben, betonte Maas.

Auch der Architekt Heinrich Böll, der maßgeblich an der Neunutzung des Vorzeigeprojekts Zeche Zollverein in Essen beteiligt war, sprach sich für den Erhalt der Gebläsehalle aus. Wir haben uns am Freitag mit ihm unterhalten.

Tageblatt: Sie waren schon vor über 20 Jahren in Belval zu Besuch. Wie kam es dazu?

Der Essener Architekt Heinrich Böll war maßgeblich an der Umgestaltung der Zeche Zollverein beteiligt

Heinrich Böll: Ein Verantwortlicher der Arbed hat uns 1996 gefragt, ob wir uns das Gelände einmal ansehen wollen. 1997 haben wir sogar noch die Abstiche von Hochofen B erlebt. Wir haben damals auch den Highway der Hochofenanlage bewundert. Der Highway war das Rückgrat der Schmelz. Heute ist er aber nur noch rudimentär erhalten. Wir haben damals auch einen Masterplan für das gesamte Gebiet entwickelt, der als Grundlage für den anschließenden Wettbewerb dienen sollte.

Wie gefällt Ihnen Belval heute?

Ich hatte erst einmal gedacht, dass viel zu viel abgerissen worden sei. Man kann über die Qualität der Architektur einiger neuer Gebäude streiten, aber das, was erhalten wurde, finde ich von der Qualität her gut. Vor allem die Außenanlagen und öffentlichen Plätze sind sehr großzügig ausgelegt.
Sie haben am Donnerstag die Gebläsehalle besichtigt. Wie war Ihr Eindruck?
Als ich gestern da reingegangen bin, dachte ich, seit 1997 wären nur einige Wochen vergangen. Sowohl das äußere als auch das innere Erscheinungsbild hat sich kaum verändert.

Die nationale Denkmalschutzbehörde meint, das Dach und die Fassade des Gebäudes seien in einem schlechten Zustand. Wie lautet Ihre erste Einschätzung?

So wie ich das beurteilen kann, ist die Tragstruktur der Halle in Ordnung. Die Fassade, die Fenster und wahrscheinlich auch das Dach müssen neu gemacht werden. Laut den Aussagen der Verantwortlichen regnet es aber nicht durch das Dach, so dass die Korrosion nicht eintreten kann. Im inneren Teil ist das jedenfalls nicht zu erkennen. In den vergangenen 20 Jahren hat sich verdammt wenig getan. Meiner Meinung nach hält die Halle noch weitere 100 Jahre, wenn die Hülle zu ist.

Wie sehen Sie die Zukunft der Gebläsehalle? Sollte sie Ihrer Meinung nach stehen bleiben?

Ich finde, sie sollte unbedingt stehen bleiben. Sie ist ja auch ein Rückgrat und bildet den Abschluss zum Elektrostahlwerk. Wenn Sie jetzt dort Wohnungen hinbauen würden, können die Bewohner in den Krach dort reingucken. Das ist ja auch problematisch.
Darüber hinaus hat die Halle auch enorme Qualitäten. Alleine schon die Stahlkonstruktion in diesen Dimensionen. Die Kohlenwäsche in der Zeche Zollverein ist ein riesiges Gebäude, aber das kann man drei Mal in die Gebläsehalle reinpacken.

Wie beurteilen Sie den architektonischen und historischen Wert der Halle?

Wenn ich eine Halle so vergammeln lasse, dann ist der architektonische Wert natürlich schon geringer. Wir haben Projekte umgesetzt, bei denen wir den historischen Wert herausgekitzelt haben. Wenn man ein vernünftiges System findet, wie man die Halle nutzen kann, ist das eine fantastische Angelegenheit. Man muss die Halle nicht vergewaltigen, sondern mit der Konstruktion, die da ist, umgehen.

Wenn Sie freie Hand bei der Umgestaltung der Gebläsehalle hätten, wie würden Sie vorgehen?

Ich würde die Halle ganz erhalten und darüber nachdenken, welche Möglichkeiten zur Nutzung bestehen. Man hätte die Rockhal dort reinbauen können. Oder Hörsäle. Oder Sportinfrastrukturen für die Uni. Die ganzen Maschinen, die noch hier herumstehen, könnte man auch dort unterbringen. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man diese Halle nutzen könnte. Man darf sie aber nicht vollpumpen, bis man sie nicht mehr erkennen kann.
Man muss verschiedene Szenarien ausarbeiten und dann damit auf den Markt gehen. Man muss die Investoren animieren, damit sie Interesse zeigen.


«Bis auf das Dach noch gut in Schuss»

Im Rahmen des Seminars fanden am Nachmittag drei Workshops über die Zukunftsperspektiven der Gebläsehalle und die allgemeine Nutzung von Industriebrachen statt. Robert Garcia, Mitglied der Arbeitsgruppe «Eise’Stol» für die Unesco-«Man and the biosphere»-Kandidatur und einer der Mitorganisatoren des Seminars, zog am Montag auf Nachfrage eine erste Bilanz. «Die Experten sind sich einig, dass die Gebläsehalle nicht einsturzgefährdet, sondern bis auf das Dach noch gut in Schuss ist», sagte Garcia. Die Halle sei demnach nicht marode, deshalb gebe es auch keinen Grund, sie abzureißen.

Klar sei aber auch, dass eine Nutzung für die Halle gefunden werden müsse. Im Seminar seien vielfältige Nutzungsmöglichkeiten aufgezeigt worden. Wichtig sei, dass die Nutzung mit dem Leben auf dem Unicampus in Verbindung gebracht werde, meinte Garcia. Deshalb wäre es wichtig, dass bald ein Ideenwettbewerb ins Leben gerufen wird. Wenn die Gebläsehalle als Headquarter für Esch 2022 genutzt werden soll, müsse sie auf jeden Fall noch «sauber gemacht» werden, betonte der Koordinator der Kulturhauptstadt 2007, der auch Verwaltungsratsmitglied der «Esch 2022 asbl.» ist.

Eine kurzfristige Nutzung sei durchaus möglich, doch man brauche auch eine langfristige Strategie, damit die Halle nicht wieder nach 2022 leer stehe, wie es nach dem Kulturjahr 2007 der Fall war.

Bei einem anderen Workshop sei festgestellt worden, dass zwar geplant sei, auf Industriebrachen wie Terre-Rouge oder Esch-Schifflingen Gebäude zu erhalten, dies aber nicht ausreichend kommuniziert werde.

Bei einem dritten Workshop habe man festgehalten, dass ein nationales Zentrum der Industriekultur eine Bereicherung für Esch 2022 darstelle. Auch solle die Vernetzung der einzelnen Industriedenkmäler und ihre Vermarktung verbessert werden, betonte Garcia. Touristen kämen nicht wegen eines einzigen Standorts, sondern wegen eines Ensembles an Denkmälern in die Südregion.

Die Arbeitsgruppe «Eise’Stol» habe bereits ein Inventar von Industriegebäuden erstellt und werde nun mit den Gemeinden beraten, was man damit machen kann.
Die Kandidatur für das «Man and the biosphere»-Programm der Unesco soll im Herbst 2019 eingereicht werden.