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20 Jahre Servior in Luxemburg: „Altersheime sind keine Gefängnisse“

20 Jahre Servior in Luxemburg: „Altersheime sind keine Gefängnisse“

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Servior, der größte Betreiber von Wohnanlagen für ältere Menschen in Luxemburg, verwaltet derzeit 15 Einrichtungen. Die öffentlich-rechtliche Gesellschaft feiert in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum. Das Tageblatt stattete dem Heim «Op der Rhum» einen Besuch ab und sprach mit den Verantwortlichen von Servior.

Das CIPA («Centre intégré pour personnes âgées») «Op der Rhum» ist eine Art Oase mitten in der Hauptstadt. Umrahmt von den Gebäuden der ehemaligen Kaserne liegt ein Park mit schönen Sitzgelegenheiten. Bei dem derzeit guten Wetter sieht man dort viele Senioren, die gemütlich einen Spaziergang machen und die letzten Sonnenstrahlen der Saison genießen. In einem der Gebäude ist die Generaldirektion untergebracht. Dort warten die Präsidentin des Verwaltungsrats, Héloïse Bock, und Generaldirektor Alain Dichter auf uns. «Kommen Sie rein, setzen Sie sich! – Wir sind ein offenes Haus. Unsere Heime sind kein Gefängnis», betont Héloïse Bock eingangs des Gesprächs und erklärt weiter: «Der soziale Kontakt ist uns enorm wichtig.»

Generaldirektor Alain Dichter ergänzt, indem er das Motto der Einrichtung erläutert: «Menschen für Menschen» und «Das Alter leben». Die Kunden von Servior sollen sich wohlfühlen. Man müsse weg vom negativen Image der Altersheime, die noch oft als eine Art Gefängnis angesehen werden, wohin die älteren Menschen abgeschoben würden. «Das ist lange passé», so Alain Dichter.

«Niemand wird gezwungen, ins Altersheim zu gehen»

Das Ziel sei, ältere Leute so lange zu Hause zu lassen wie möglich. Werden sie ernsthaft krank, sei dies aber oft nicht mehr möglich. Die Gesellschaft habe sich verändert. «Früher nahmen dann häufig die Kinder die Omi oder den Opa bei sich auf. Heutzutage ist das durch Patchworkfamilien, eine zunehmende Flexibilisierung der Arbeitswelt und eine höhere Mobilität (Kinder leben oft im Ausland) leider nicht mehr möglich. Also muss es Alternativen geben», so Dichter.

Niemand werde jedoch gezwungen, ins Altersheim zu gehen. Die Kunden sollen in den Servior-Heimen ein neues Zuhause finden. «Das geht nicht, wenn man gezwungen wird», so Héloïse Bock. Sie erklärt weiter, dass häufig neben den Bewohnern der Einrichtungen deren Familien der Hauptansprechpartner seien. «Oft kommen pflegebedürftige Personen zu uns. Oder unsere Kunden erkranken an Demenz, Alzheimer usw. während ihres Aufenthalts. Dann sind sie nach einiger Zeit leider nicht mehr in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. In dem Fall wenden wir uns an die Familie.»

Ansonsten leben die Heimbewohner aber ganz autonom. Sie wohnen in Zimmern, wo sie ihre eigenen Möbel reinstellen können. «Nur das Bett und der Nachttisch werden von uns gestellt, aus pflegetechnischen Gründen», so Alain Dichter. Die Senioren können sich frei bewegen, auch das Heimgelände verlassen, ein Konzert besuchen, ins Kino gehen, mit Freunden oder der Familie einen Ausflug unternehmen usw. Nur abmelden müssen sie sich. Eine Sperrstunde gibt es auch nicht. Die Bewohner, die auf Tour gehen, besitzen nämlich einen «Heimschlüssel», mit dem sie jederzeit rein- oder rauskommen können.

Kein Heim, sondern eher ein Hotel

Besuch kann jederzeit kommen – und bleiben, «solange es nicht zu laut wird», schmunzelt der Generaldirektor. Die Enkel können ebenfalls auf Besuch kommen und sogar über Nacht bleiben, wenn genug Platz da ist oder der Aufenthalt im Vorfeld organisiert wurde.

«Unsere Heime werden eher mit Hotels verglichen», freut sich denn auch die Verwaltungsratschefin. Nicht zuletzt wegen der Verpflegung und der Animationen. Kunstkurse, sportliche und kulturelle Aktivitäten, Ausflüge, Minitrips … langweilig soll den Senioren nicht werden. So gibt es z.B. eine Dame, die regelmäßig «walken» geht und hier bis zu 16 Kilometer absolviert. Eine andere Frau reiste vor kurzem in die USA. «Dazu kommt der Vorteil der permanenten Betreuung, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche», so Alain Dichter. Wie es bei älteren Menschen mit gesundheitlichen Problemen, die noch zu Hause leben, nicht der Fall ist.

«Ich gehe quasi immer zufrieden nach Hause»

Um die «Kunden» optimal zu betreuen, arbeiten in jedem Servior-Heim jede Menge Leute aus den verschiedensten Berufssparten: Pfleger, Betreuer, Techniker, Gärtner, Physiotherapeuten, Verwaltungsersonal… Das Tageblatt traf im Park eine Pflegerin. Sie arbeitet schon seit einigen Jahren im Seniorenheim «Op der Rhum» und fühlt sich dort wohl. «Unsere Pensionäre sind liebe Menschen, die unsere Präsenz und Unterstützung zu schätzen wissen. Die Arbeitsbedingungen sind gut, sodass ich nach meiner Schicht quasi immer zufrieden nach Hause gehe. Traurig bin ich nur, wenn ein langjähriger Einwohner uns für immer verlassen hat», so die joviale Frau.

Einen geregelten Tagesablauf gibt es in den Servior-Heimen nicht. Sind die Einwohner noch autonom, können sie ihren Tag frei gestalten. Nur die Essenszeiten sind fix. Ist der Heimbewohner aber auf Hilfe angewiesen oder krank, ändert sich sein Tagesablauf und wird verständlicherweise strukturierer: Therapie, Arztbesuch, auf die jeweilige Situation des Patienten zugeschnittene Aktivitäten bestimmen dann den Tag.

Keine Zwänge

Neben der Beherbergung und der Pflege der älteren Leute bietet Servior in Wiltz auch eine Tagesstätte an, die durchschnittlich von einem guten Dutzend Personen besucht wird. «Die Einrichtung ist mit einem höheren Aufwand verbunden, u.a. was den Transport betrifft. Einige Personen kommen quasi die ganze Woche und bleiben den ganzen Tag. Da stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, ganz in eines unserer Heime einzuziehen. In Endeffekt ist und bleibt es aber die Entscheidung des Kunden», betonten die Verantwortlichen.

Das Projekt «betreutes Wohnen» in Ulflingen hat indes als Ziel, aktiven und unabhängigen Senioren ein Maximum an Komfort und Sicherheit zu bieten. Die Kunden können nämlich hier eigenständig in den eigenen vier Wänden wohnen und sind trotzdem nicht alleine, denn sie haben tagsüber einen kompetenten Ansprechpartner an ihrer Seite und können bei Bedarf auf kleine pflegerische Dienste zurückgreifen.

Der gute Ruf von Servior kommt nicht von ungefähr. Der Dienstleister beobachtet nämlich den Pflegesektor ganz genau. «Werden Änderungen notwendig, werden wir sie vornehmen. Wir sind eine öffentlich-rechtliche Einrichtung. Wir passen uns an, aber nicht aus Profitgründen, sondern ausschließlich, um unsere Dienstleistungen zu verbessern und den Menschen zu helfen», unterstreicht Héloïse Bock. Eine Herausforderung sei in diesem Zusammenhang die Digitalisierung und insbesondere die «informatische Umsetzung der Pflegereform».

Aber auch in Sachen Einrichtungen tut sich so manches. Die demografische Entwicklung mache dies notwendig. So sind in Differdingen und Bascharage neue Seniorenheime geplant. Dort sollen jeweils 200 Personen beherbergt werden. Die Gesetze wurden bereits gestimmt. Der Spatenstich soll demnächst erfolgen. Abgeschlossen sollen die Arbeiten 2022/2023 sein.


Historie

1998-1999: Verabschiedung des Gesetzes über die Gründung von Servior. Die öffentlichen Einrichtungen «Centres, Foyers et Services pour personnes âgées» (unterstehen dem Familienministerium) und «Centres de gériatrie» (unterstehen dem Gesundheitsministerium) werden geschaffen.

1999: Übernahme von zehn staatlichen CIPA (Bofferdingen, Düdelingen, Echternach, Esch, Mertzig, Niederkorn, Rümelingen, Vianden, Wiltz und Luxemburg-Rham).

2000: Einzig das Familienministerium ist jetzt für die Politik zugunsten älterer Menschen zuständig. Ohne Schaffung eines neuen Organs geht die Einrichtung «Centres de gériatrie» per Gesetz vom 22. Dezember 2000 in die öffentliche Einrichtung «Centres, Foyers et Services pour personnes âgées» über. Vier weitere staatliche Pflegeheime werden übernommen (Echternach, Esch, Differdingen und Vianden). Die Zahl der hier lebenden Menschen steigt auf 1.200, die der Mitarbeiter auf 900.

2001: Die neue öffentliche Einrichtung erhält den Namen Servior (eine Kombination aus Services und Seniors).

2009: Schließung des Pflegeheims in Esch. Es wird ins Krankenhaus (CHEM) eingebunden.

2011: Das CIPA im Schloss von Wiltz wird geschlossen. Das CIPA «Geenzebléi» wird eröffnet.

2012: Unterstützung des Gemeinde-CIPA im Hinblick auf eine neue Struktur in Diekirch.

2013: Schließung der CIPA in Mertzig und Vianden (altes Kloster). Die Heime «Schlassbléck» in Vianden und «Bei der Sauer» in Diekirch öffnen ihre Tore. In Düdelingen wird in Zusammenarbeit mit dem CHEM («Centre hospitalier Emile Mayrisch») eine Essensausgabe organisiert. In Sachen Informatik wird mit dem «Hospice de Hamm» (HCVL) zusammengearbeitet.

2015: Servior beherbergt nun 1.650 Menschen und gibt 1.823 Personen eine Arbeit.

2016: Eröffnung der Tagesstätte in Wiltz.

2018: Servior feiert 20-jähriges Jubiläum. Das Gesetz über zwei neue Bauten (Differdingen und Bascharage) wird im Parlament angenommen.
(Anm. der Red.: Seit 2002 werden zudem überall im Land die Kapazitäten der Seniorenheime erweitert, die bestehenden Gebäude umgebaut und modernisiert.)


«Ich bin gerne hier»

Irène ist 82 Jahre alt und lebt seit drei Jahren in einem Servior-Heim. «Am Anfang war ich wütend, als mein Sohn mir vorschlug, in ein Heim zu ziehen. Damals hatte ich mir das Bein gebrochen und konnte monatelang nicht raus. Dabei liebe ich die Gesellschaft anderer Leute.» Dann aber schaffte die Familie es, sie zu überzeugen, probehalber in ein Heim zu ziehen. Das ist bei Servior möglich. «Am Anfang war es komisch. Alles war so ungewohnt», erinnert sich die rüstige Seniorin. Nach einiger Zeit aber lebte sie sich ein.

Sie bereut ihre Entscheidung, umzuziehen, nicht. «Nach dem Tod meines Mannes vor sieben Jahren war ich alleine. Ich habe inzwischen viele Freunde hier, kann mich frei bewegen, meine Familie besuchen, nehme an Aktivitäten teil und kann sicher sein, dass, wenn ich wieder hinfalle oder ein gesundheitliches Problem habe, sofort ein Arzt da ist. Was will man mehr?» Kommt sie sich abgeschoben vor? «Mein Gott, nein. Ich habe frei entschieden, hier zu leben, nachdem ich mir alles genau angesehen hatte. Wissen Sie, die Altersheime von heute haben nichts mehr mit den Einrichtungen vor 20 Jahren oder mehr gemein. Ich habe hier ein neues Zuhause gefunden. Alle sind nett und zuvorkommend. Ich werde so lange hier bleiben, bis man mich hier rausträgt», sagt Irène und lacht.

Auch ihre Schwiegertochter, die mit der Seniorin durch den Park schlendert, ist begeistert. «Wir wussten, dass Oma in einem dieser modernen Heime gut aufgehoben ist, hätten uns im Traum aber nicht vorgestellt, dass sie sich hier so gut einleben wird. Wir kommen regelmäßig hierher. Besonders das Angebot der Ferienzimmer finden wir super.» (Anm. der Red.: Ferienzimmer sind die Gästezimmer oder die sog. «Schnupperzimmer» des Heims, wo ältere Menschen provisorisch wohnen können, um sich z.B. infolge eines Krankenhausaufenthalts zu erholen oder um vor dem endgültigen Einzug das Wohnzentrum kennenzulernen.)


Tarife

Oft wird moniert, die Tarife der Seniorenheime seien zu hoch. Das stimmt laut den Verantwortlichen von Servior aber nicht. «Unsere Preise sind sozial», so Héloïse Bock. Sie betont aber auch, dass sie davon abhängen, ob ein Heim alt oder neu ist, welche Dienstleistungen dort angeboten werden, wie groß das Zimmer oder die Wohnung ist usw. Im Prinzip könne ein Senior sich den Aufenthalt in einem der Servior-Heime aber leisten. Und tut er es nicht, hat er die Möglichkeit, u.a. im Rahmen der Pflegeversicherung oder beim «Fonds national de solidarité» (FNS) Hilfe zu beantragen. Es handelt sich bei Letzterem um eine Zusatzleistung, die unter bestimmten Voraussetzungen für den Aufenthalt im Altersheim gezahlt wird.


«Repas sur roues»

Bekannt ist auch Serviors Dienstleistung «Essen auf Rädern». Die Qualität der Nahrung ist gut. Das bestätigten mehrere Kunden dem Tageblatt. Die Menüs werden mit regionalen Produkten zubereitet. Die Küchen befinden sich in den Seniorenheimen «Op der Léier» in Esch/Alzette (Essen auf Rädern Süden) und «Geenzebléi» in Wiltz (Essen auf Rädern Norden).

Die Tatsache, dass die Menüs nicht in Näpfen, sondern auf Porzellantellern geliefert werden, kommt ebenfalls gut an. Die Behältnisse werden auf einer eigens mitgelieferten Induktionsplatte erwärmt. Das Essen ist somit immer schön heiß. «Das ist wichtig, besonders bei einer Suppe. Kalt schmeckt sie nämlich nicht», so eine Kundin. Servior bietet täglich mehrere Menüs an. Etwaige Diätpläne werden auch berücksichtigt.

Grober J-P.
20. Oktober 2018 - 12.04

Zur Info: Das billigste Zimmer das uns angeboten wurde war für 2600 € zu haben. Leider kein Bad im Zimmer. Leider alle belegt. Haben 12 Institute angeschrieben, nach vier Monaten dann ein Zimmer frei. Kostet 103 € am Tag. Wäsche ist mit inbegriffen, einmal monatlich. Eigenes Mobiliar verboten, aus Sicherheitsgründen. Vorhandenes Mobiliar leider nicht im besten Zustand, hat bereits etliche Jahre auf dem Buckel. Altersheimplätze sind wohl begehrt, viele Kandidaten, selten Plätze frei. Man muss schon Beziehungen haben um irgendwo rein zukommen.

Hase
19. Oktober 2018 - 16.12

Ja was sind denn die Tarife? Muss ich mein Haus verkaufen oder nicht, sie können doch sicherlich die 20 Tarife veröffentlichen, oder werden die Alten über den Tisch gezogen? Wenn es billig ist braucht man sich nicht zu schämen. Sind da nicht noch Prozesse am laufen, wo Anwälte sich eine goldene Nase verdienten mit der Verwaltung von Immobilien? Schade, dass den Nol op de Kap vorbei ist, da konnte man manchmal staunen, was hier im Lande so passiert,und das Meiste in der CSV Zeit.

Grober J-P.
19. Oktober 2018 - 11.03

Würde gerne wissen wie viele ältere Leute sich ein Altersheim leisten können. Habe mal kurz durchgerechnet. Ca. 50 € bräuchte ich am Tag in etwa um einigermaßen zu überleben, Essen, Körperpflege, Unterhalt, Heizung, Elektrisch, ohne sonstige Ansprüche. Im Altersheim wäre ich bei 100 € am Tag, schön happig. Den Rentnern hier im Lande muss es sehr gut gehen. Stimmt es, dass Konzerne unter der Form einer AG hier Altersheime betreiben und noch Zuschüsse vom Staat bekommen? Bitte um Infos.

Jang
19. Oktober 2018 - 10.19

Ausbeutung älterer Leute.

anne
19. Oktober 2018 - 6.37

Altersheim as nach fir vill déi lëscht Statioun wouh een deenen aalen Leid nach kann ganz vill Geld ofknëppen a méih net

Schuller piir
19. Oktober 2018 - 2.43

Genau. E klengen Tour durch mei Alterhéemer get en ganz anert Bild. Et get nach eng Kategorie driwer, an och nach vill drenner. Mais dofun wellen mer näischt wessen.

CESHA
18. Oktober 2018 - 16.41

Mäi Papp war virun e puer Joer och während sénge leschte Liewensméint op eegene Wonsch an engem Altersheim, esouguer "de luxe" an ech hunn hien e puermol do besicht an och emol d'Mëttegiessen mat him geholl - vun "Hotelskascht" konnt een do awer net schwätzen, éischter miserabele Cantine-Frass.